Erzaehl mir ein Geheimnis
Ecken. Außerdem konnte ich hier im Traum fast wieder atmen. Und über mir stand ein Engel, der genauso aussah wie meine Frauenärztin.
»Miranda«, sagte der Engel sanft, wie es meine Ärztin getan hätte. Sie hatte lange Haare und helle blaue Augen.
»Miranda, ich bin jetzt bei dir. Als ich gehört habe, dass du eingeliefert wurdest, bin ich so schnell gekommen wie ich konnte.«
Eingeliefert? »In den Himmel?«, fragte ich.
Der scharfe Geruch von Metall und Sulfur stieg mir in die Nase. Im Himmel roch es nach Krankenhaus. Die Ärztin lachte sanft und streichelte mir über die Wange. »Nein, noch nicht.«
Ich öffnete die Augen, und es stimmte, obwohl ich nicht den Mut aufbrachte, mich aufzusetzen. Sie hatten mich in ein Zimmer mit vielen Fenstern verlegt und das hereinfallende Licht umgab den Kopf der Ärztin wie ein Heiligenschein. Sie hörte auf, mein Gesicht zu streicheln, und gab mir einen Becher mit Eiswürfeln.
»Miranda, kannst du mit mir reden?«
Ich nickte, während ich die Eiswürfel lutschte. Es fühlte sich an, als ob ich seit Tagen nichts mehr getrunken hätte.
»Deine Mutter ist hier und wartet seit …«
»Nein«, sagte ich eine Spur zu laut. »Nein, ich will sie hier nicht haben.«
»Aber …«
»Nein«, flehte ich und das Geräusch meines Herzschlags wurde deutlich lauter auf dem Monitor über meinem Kopf. »Bitte, zwingen Sie mich nicht.«
»Wir können dich zu gar nichts zwingen, Rand«, sagte die Ärztin und streichelte meine Hand. »Niemand darf ohne deine Erlaubnis hier rein.«
Ich berührte meinen Bauch und fühlte, wie sich Lexis Fuß bewegte. Am Leben. Immer noch am Leben. »Was ist mit Lexi?«
»Sie ist okay. Zumindest für den Moment. Aber es wird für euch beide schwierig werden. Du musst stark sein, für Lexi. Verstehst du mich?«
Ich nickte, obwohl ich gar nichts verstanden hatte. Meine Muskeln zogen sich aufs Neue zusammen. Die Ärztin ergriff meine Hand, während sie die Nadel auf dem Monitor beobachtete – wie sie nach oben ausschlug, die Spitze erreichte und dann abebbte.
»Wir haben dir ein Medikament gegeben, um die Wehen zu stoppen, aber es funktionierte nicht.«
»Davon wird mir schlecht.«
»Ich weiß. Aber das müsste jetzt vorbei sein, die Wirkung sollte nachgelassen haben. Du hattest Nebenwirkungen, Halluzinationen und Wasser in den Lungen, deshalb konnten wir dir nichts zu trinken geben. Der nächste Schritt wäre, das Baby sicher auf die Welt zu bringen.«
»Wie machen wir das?«
»Du bist in der siebenundzwanzigsten Woche schwanger, fast im sechsten Monat. Babys sollten erst in der vierzigsten Woche auf die Welt kommen, frühestens in der Sechsunddreißigsten. Aber mit Lexi ist es anders. Sie will unbedingt früher auf die Welt und wir versuchen alles Mögliche, um sie davon abzuhalten.«
»Wird sie sterben?«
Die Ärztin atmete tief durch. »Die gute Nachricht ist, dass wir in der Medizin schon sehr weit sind. Früher hatten Babys, die in der siebenundzwanzigsten Woche geboren wurden, keine Chance, aber heute … ist es besser. Die schlechte Nachricht …«
Ich war mir nicht sicher, ob ich die schlechte Nachricht hören wollte.
»Babys, die zu früh geboren werden, können Probleme bekommen«, fuhr sie fort. »Ihre Lungen sind noch nicht vollständig ausgebildet, sie sind anfällig für Infektionen … da kann einfach so viel sein. Deshalb versuchen wir, deine Wehen zu verlangsamen, um ihr ein paar Tage mehr zu verschaffen.«
Draußen war es hell, gedämpft von der Wolkendecke, und ich war mir nicht sicher, wie lange ich schon hier war. Einen Tag? Eine Woche? Die Ärztin trug eine kleine Anstecknadel in Form eines Weihnachtskranzes. War schon Weihnachten? Wie lange war meine Mom schon hier?
» Falls Lexi überlebt, wird sie sehr lange im Krankenhaus bleiben müssen. Wir behalten sie auf der Intensivstation für Frühgeborene, bis sie selbstständig atmen und essen kann. Das wird eine sehr lange Reise und ich kann dir nichts versprechen.«
Sie tätschelte noch immer meine Hand, und ihre Berührungen begannen wehzutun. Meine Haut tat weh. Mein Kopf tat weh. Mein Nacken tat weh und ich wollte, dass der Schmerz aufhörte, aber ich konnte den Kopf nicht anheben.
Eine Krankenschwester kam ins Zimmer, um meine Vitalfunktionen zu überprüfen, Herzfrequenz, Blutdruck, Temperatur, Atemfrequenz. Sie nickte der Ärztin zu.
»Ich muss noch nach einem anderen Patienten sehen, aber ich komme gleich wieder. Die Krankenschwester bleibt so lange bei dir.
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