Erzähl mir von morgen
Mittagspause lesen wollte.
Er lehnte an diesem warmen Sommertag lässig in einer schwarzen Anzughose und einen hellblauen Hemd mit dunkelblauer Krawatte, die er für die Mittagspause etwas gelockert hatte, an einem der zahlreichen Bordsteinbäume und lächelte mich an, als er mich entdeckte. Er löste sich und kam elegant auf mich zu. Zunächst glaubte ich noch, er wäre zufällig vorbeigekommen.
„Hallo Greta!“ sagte er mit tiefer, männlicher Stimme und küsste mich vorsichtig auf beide Wangen. Er war groß, ebenso wie Nate und hatte etwa die gleiche Statur, so dass er sich zu mir hinunter beugen musste. Ein herrlicher, unaufdringlicher Duft nach Mann wehte mir entgegen und für eine winzige Sekunde schloss ich die Augen, um diesen Augenblick einzufangen und zu genießen.
Dann öffnete ich die Augen, starrte ihn wortlos an. Ich war etwas überrascht, ihn hier zu sehen und darüber, dass er mich dann auch noch freundschaftlich begrüßte.
„Darf ich dich zum Mittagessen einladen?“ fragte er mich.
Ich machte eine vage Geste zwischen zustimmendem Nicken und ablehnendem Kopfschütteln.
Er lächelte mich an und wartete, bis ich die richtige Antwort gefunden hatte.
„Ich h-h-habe nicht viel Zeit!“ sagte ich leise und verwünschte meinen Sprachfehler, der mir wie so oft im Weg stand. Ich wollte wenigstens selbstbewusst wirken, wenn ich es schon nicht war.
„Aber eine Kleinigkeit musst du doch essen!“ sagte er und bot mir galant seinen Arm an. Ich kicherte leise, ging dann jedoch mit ihm.
„Aber ich zahle s-selbst!“ sagte ich schnell, um nicht die Eindruck zu erwecken, dass es sich bei unserem Essen gehen um ein Date handelte.
Ich musste verstohlen lächeln. Ein Date! Wann war ich das letzte Mal wirklich mit einem Mann ausgegangen? Ich wusste es nicht mehr. Es musste schon Jahre zurückliegen und das machte mich nicht gerade sicherer.
Er führte mich in ein kleines italienisches Restaurant, das nicht weit von meiner Redaktion lag. An anderen Tagen lief ich nur schnell zum Coffee-Shop nebenan, um mir einen großen Latte Macchiato mit Karamelsoße und vielleicht einen Bagel zu holen, den ich dann in Windeseile auf dem Weg zurück in mein Büro aß. Es war meistens wenig nahrhaft und dauerte selten länger als zehn Minuten.
Wortlos suchten wir unsere Essen aus. Da ich wusste, welcher Berg an Arbeit in meinem Büro auf mich wartete, beschränkte ich mich nur auf etwas B ruschetta und ein Glas Wasser.
Es fiel mir auf, wie unhöflich ich bisher zu ihm gewesen war, als ich nicht mit ihm sprach.
„ Wie lange w-w…“ Ich schluckte kurz, versuchte mich auf das eine Wort zu konzentrieren, dass nicht aus meinem Mund kommen wollte. „Wartest du schon?!“
Er lächelte mich freundlich an, dann überlegte er kurz.
„Heute? Etwa zwei Stunden!“ Er grinste spitzbübisch, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck sah.
„Heute?“
„Es war nicht sehr schwer herauszufinden, wo du arbeitest, Greta!“ sagte er. „Nur am Montag und Dienstag hast du wohl keine Mittagspause gemacht?“ fragte er, aber es klang nicht wie eine Frage.
Ich schüttelte steif den Kopf. Gestern und Vorgestern war ich nicht zum Essen gegangen. Mit der Zeitung lief es ziemlich schlecht und ich, als eine der wenigen – ich korrigierte mich – als einzige unter dreißig, musste neue Ideen finden, damit die Auflage größer wurde. Das hieß ziemlich viel Arbeit, die ich sogar mit nach Hause nahm. So konnte ich, wenn Celia bereits schlief, noch weiterarbeiten, denn meine Chefin hatte mir ganz klar ein Ultimatum gestellt. Auflage erhöhen oder die Redaktion wurde komplett eingestellt. Das würde bedeuten, dass ich auf der Straße stand und das war etwas, was ich mir absolut nicht leisten konnte. Bei dem Überangebot an Frauenzeitschriften war es jedoch nicht einfach, die Auflage zu erhöhen. Die Redaktion konnte sich weder interessante Interviews mit bekannten Hollywoodgrößen leisten, noch war eine komplette Erneuerung mit Namen, Aufmachung und Inhalten von meiner Chefin gewünscht. Da war sie ziemlich eigen.
So musste ich den Spagat zwischen Erneuerung und Erhaltung schaffen, ohne dass ich durchdrehte.
„Und auch heute bist zu ziemlich spät.“ Er sah auf seine Uhr. Kurz nach drei, da waren die meisten schon lange mit ihrer Mittagspause fertig.
„Hab viel Arbeit!“ murmelte ich verlegen. Okay, wir waren nicht verabredet gewesen, aber trotz allem war es mir unangenehm und peinlich ihn so lange warten
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