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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Seidenberg
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Ahnung von Mode, Stil und den angesagten Themen der Jugend.
    Ich wollte nicht behaupten, dass ich ein Ass in diesen Fragen gewesen wäre, doch ein wenig mehr Pepp würde ich der Zeitschrift schon bringen. Immerhin wusste ich, was mir als Leserin gefallen würde.
    Doch all meine Ideen hatte Miss Senner bisher kategorisch abgelehnt.
    „Zu speziell!“, „Zu dekadent!“, „Zu aufreizend!“ oder „Zu grell!“ waren nur einige ihrer Ausrufe, wenn sie meine Vorschläge mit einem kurzen Blick und einer lässigen Handbewegung verwarf. Angaben, mit denen sie mir helfen konnte, gab sie jedoch nicht. Sie konnte nur kritisieren, aber das half weder mir, noch der Zeitschrift weiter.
     
    Nun fragte sie mich erneut nach meinen Vorschlägen und ich musste zu ihr ins Büro, das im Stockwerk über meinem lag.
     
    Als ich an die abgewetzte, schwarze Tür klopfte, konnte ich ihr Schniefen und Husten bereits auf dem Gang hören. Das nasale „Herein“ ließ mich eintreten und ich versuchte so wenig wie möglich zu atmen, um mich nicht bei ihr anzustecken. Eine schlimme Erkältung konnte ich mir in dieser Zeit einfach nicht leisten.
     
    „Miss Thomson, kommen Sie herein!“ sagte sie und guckte mich mit ihren müden Augen über die Lesebrille hinweg an. Das Ungetüm aus Horn saß ganz vorn auf ihrer Nasenspitze. Das goldene Kettchen, das die Brille hielt, wenn sie sie nicht trug, glänzte leicht.
    H eute trug sie eine graue Tunika über einem dunkelgrauen, sackartigen Kleid. Sie wirkte wie eine alte Frau, die mit ihrem Leben bereits abgeschlossen hatte.
     
    „Was haben Sie für mich!“ sagte sie ohne Umschweife. Sie war immer sehr nett und freundlich, doch in den letzten Monaten erkannte man, dass der Untergang der Zeitung auch an ihr nicht spurlos vorüberging.
    Schnell kam ich auf sie zu, legte meine Mappen auf den Besucherstuhl, der sicher bereits ein Einrichtungsgegenstand ihres Vaters gewesen war und nahm einige Skizzen zur Hand.
    Ich begann zunächst stockend, dann immer flüssiger, zu erzählen, wie ich mir die Umgestaltung der Zeitschrift erneut vorstellte.
    Sie hörte mir aufmerksam zu, hatte dabei die Augen leicht zusammen gekniffen. Ihre Fingerspitzen tippten vor ihrem Mund immer wieder aneinander und ich konnte nicht erkennen, ob ihr meine Ideen gefielen oder nicht.
     
    Es war mir nicht schwer gefallen , aufzulisten, was mir an „Bianca“, der Zeitschrift, nicht gefiel. Zunächst war da der Name, der eindeutig nicht mehr up-to-date war. Auch das Format, Din-A-4, war unpraktisch und viel zu groß. Ich würde das Cover anders gestalten. Um ein jüngeres Publikum ansprechen zu können, brauchten wir fröhliche, modische Farben. Ich würde mich außerdem von Themen wie „Mein Katze entfremdet sich von mir“ und „Strickanleitung für einen Poncho“ für immer trennen.
     
    Meine Chefin sah mich, als ich schließlich alle meine Ideen vorgetragen hatte, lange Zeit schweigend an. Sie hatte die Hände ineinander verschränkt und überlegte.
    Dann schüttelte sie den Kopf.
    „Nein! Miss Thomson, ich dachte, sie wären jung und wüssten, wie man die Jungend anspricht, aber ich glaube, das war eine Fehleinschätzung.“
    Sie wedelte mit der Hand lässig über meinen Skizzen. „Zu aufmüpfig!“ Sie rümpfte die Nase und sah mich enttäuscht an.
    „Das würde niemand kaufen!“ Sie schüttelte den Kopf.
    Ich sah sie sprachlos an, während sie fortfuhr.
    „Kindchen, sie wissen nicht, was junge Menschen lesen wollen. Filmpremieren, Outfits und Schminktipps sind nicht die Themen, die unsere Leser bewegen. Warum sollten wir ein Winterspecial herausbringen, in denen die besten Geschenktipps aufgelistet sind? Damit jeder in der Stadt das Gleiche zu Weihnachten bekommt? Die Menschen wollen interessantere Geschichten hören.“
    Genau, dachte ich, die Menschen da draußen wollen hören, wie man grau zu dunkelgrau kombinieren kann. Klar, damit kann man die Auflage erhöhen.
     
    Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, etwas anderes zu behaupten. Miss Senner war eingefahren in ihrer eigenen Welt und sah nicht, was draußen vor sich ging. Das war auch mit ein Grund, dass die Firma kurz vor der Pleite stand. Sie hatte die Mahnungen einfach ignoriert und unsere Gläubiger; die Druckerei, die Logistik und alle anderen mit Nichtachtung bestraft, bis es eines Tages zu spät war.
     
    Lethargie breitete sich über mir aus. Ich spürte, wie müde ich war. Seit Wochen ging es schon so. Ich dachte mir neue Konzepte aus, entwickelte

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