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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Seidenberg
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zu lassen.
     
    „Es tut mir Leid, dass ich …. dich so l-lange warten ließ!“ sagte ich vorsichtig, doch er lächelte mich nur an.
    Es waren seine Augen, die mich am meisten faszinierten. Sie waren von einem solchen tiefblau, dass ich kaum glauben konnte, dass sie echt waren.
    „Ich habe gern gewartet!“ erwiderte er.
    Er fragte nach meiner Arbeit und schien sich einige Informationen bereits aus anderen Quellen geholt zu haben, denn ab und an nickte er, stellte Fragen und hörte mir ausdauernd zu. Obwohl mein Job zurzeit sehr stressig war und ihn nicht als „Traumjob“ betrachtete, war ich recht zufrieden. Ich spürte, je mehr ich sprach, dass ich sicherer wurde. Chris war ein sehr aufmerksamer Zuhörer. Es war angenehm, sich mit ihm zu unterhalten und wenn mir ein Wort nicht über die Lippen kam, half er nicht weiter, sondern wartete, bis es sich schließlich aus meinem Mund stahl.
    Manchmal gelang es mir die Worte flüssig und ohne Pausen auszusprechen, doch ab und an stotterte ich nicht nur, sondern ich konnte die Worte nicht aussprechen.
    Ich hasste es, wenn mich andere Menschen dann verbesserten oder mir weiterhalfen. Es zeigte, wie unnormal und unselbstständig ich war und ich wollte, ich brauchte von niemandem Hilfe.
     
    „Arbeitest du denn in der N-nähe“, fragte ich ihn schließlich.
    Er machte eine vage Geste.
    „Ich war zufällig in der Gegend und dachte mir, ich schau einfach vorbei!“ sagte er.
    „Also nicht!“ entnahm ich seiner Antwort und erntete ein fröhliches Lachen von ihm.
     
    Ich nahm den letzten Schluck von meinem Wasser und lächelte leicht. Ich fühlte mich, als ich schließlich einen Seitenblick auf die Uhr warf und erschreckt feststellen musste, dass wir über eine Stunde zusammen gesessen hatten, in seiner Gegenwart sehr wohl und es freute mich, dass er mich zurück zum Büro brachte, wieder auf beide Wangen küsste und mich forschend ansah.
    „Wann werde ich dich wieder sehen?“ fragte er lächelnd. „Morgen zur Mittagspause? Schließlich muss dich jemand daran erinnern, etwas zu essen!“
    Ich lächelte glücklich zurück.
    „Dann werde ich pünktlicher sein!“
     
    Ich öffnete die Glastür zu dem Bürokomplex und sah mich noch einmal um. Christopher schlenderte die Straße hinunter. Er sah gut aus, hatte die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt und ich konnte ihn, trotz der vielen Passanten, noch sehen, bis er um die Ecke gebogen war.
     
    Schon im Flur hörte ich das Telefon in meinem Büro klingeln. Ich murmelte einen unterdrückten Fluch, zum einen, weil ich ungern telefonierte und zum anderen, weil ich mit den ganzen Mappen in der Hand zur Tür rennen musste. Ich stürzte in den kleinen Raum und warf die Akten auf den Schreibtisch. Schnell schnappte ich mir den alten Apparat und meldete mich. Es war meine Chefin mit wenig erfreulichen Nachrichten.
     
    „Die Ausgabe für den kommenden Monat muss noch diese Woche fertig werden, Miss Thomson!“ sagte Abigail Senner mit einem leichten Schniefen. Ich hörte, wie sie sich vom Hörer abwandte und geräuschvoll in ein Taschentuch schnaubte. Seit Wochen schon war sie krank, doch richtig erholen können, hatte sie sich bisher nicht. Sie sah aus wie eine lebendige Leiche und jeder im Büro hoffte nicht angesteckt zu werden. Die Firma war ihr Ein und Alles. Ihr Vater hatte die Zeitschrift ins Leben gerufen, sie nach seiner Frau benannt und zehn Jahre nachdem ihr Vater gestorben war und die Tochter das Lebenswerk übernommen hatte, schrieb sie rote Zahlen. Es gab nur eine Chance: die nächste Ausgabe musste sehr viel besser werden.
    Aber am Markt mussten wir gegen Zeitschriften konkurrieren, die den Zahn der Zeit trafen. Wir hingegen waren ein Nischenprodukt, schrieben über Themen, die kaum jemanden interessierten und hatten uns nie von den Strickanleitungen und Haushaltstipps trennen können.
    Jeder, der ein besseres Angebot fand, hatte uns bereits verlassen und wir übrigen mussten nun alles versuchen, um die Zeitung zu retten.
     
    Ich hatte einige Ideen für ein neues Design und eine modernere Aufmachung, doch meine Chefin hatte bisher davon nichts wissen wollen.
    Sie, Anfang 50, war Single und lebte nur für ihren Job. Seit Jahren schon lief sie in den gleichen alten, verwaschenen Kleidern herum, die nicht mal die Altkleidersammlung nehmen würde und sah aus, als wäre sie gerade aus einem alten Ohrensessel aufgestanden, um die grauen Haare einer Dauerwelle zu unterziehen.
    Genauer gesagt: Sie hatte keine

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