Erzählungen
Nicht einmal die Violine schreckte ihn auf, die, unter
den zitternden Fingern der Mutter hervor, ihr vom Schoße fiel
und einen hallenden Ton von sich gab.
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"Liebe Eltern", sagte die Schwester und schlug zur Einlei-tung mit der Hand auf den Tisch, "so geht es nicht weiter.
Wenn ihr das vielleicht nicht einsehet, ich sehe es ein. Ich will vor diesem Untier nicht den Namen meines Bruders aussprechen, und sage daher bloß: wir müssen versuchen, es loszu-
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werden. Wir haben das Menschenmögliche versucht, es zu
pflegen und zu dulden, ich glaube, es kann uns niemand den
geringsten Vorwurf machen." "Sie hat tausendmal Recht", sagte der Vater für sich. Die Mutter, die noch immer nicht
genug Atem finden konnte, fing in die vorgehaltene Hand mit
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einem irrsinnigen Ausdruck der Augen dumpf zu husten an.
Die Schwester eilte zur Mutter und hielt ihr die Stirn. Der
Vater schien durch die Worte der Schwester auf bestimmtere
Gedanken gebracht zu sein, hatte sich aufrecht gesetzt, spielte
mit seiner Dienermütze zwischen den Tellern, die noch vom
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Nachtmahl der Zimmerherren her auf dem Tische lagen, und
sah bisweilen auf den stillen Gregor hin.
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Franz Kafka: Erzählungen
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"Wir müssen es loszuwerden suchen", sagte die Schwester nun ausschließlich zum Vater, denn die Mutter hörte in ihrem
Husten nichts, "es bringt euch noch beide um, ich sehe es
kommen. Wenn man schon so schwer arbeiten muß, wie wir
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alle, kann man nicht noch zu Hause diese ewige Quälerei er-
tragen. Ich kann es auch nicht mehr." Und sie brach so heftig in Weinen aus, daß ihre Tränen auf das Gesicht der Mutter
niederflossen, von dem sie sie mit mechanischen Handbewe-
gungen wischte.
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"Kind", sagte der Vater mitleidig und mit auffallendem Verständnis, "was sollen wir aber tun?"
Die Schwester zuckte nur die Achseln zum Zeichen der Rat-
losigkeit, die sie nun während des Weinens im Gegensatz zu
ihrer früheren Sicherheit ergriffen hatte.
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"Wenn er uns verstünde", sagte der Vater halb fragend; die Schwester schüttelte aus dem Weinen heraus heftig die Hand
zum Zeichen, daß daran nicht zu denken sei.
"Wenn er uns verstünde", wiederholte der Vater und nahm durch Schließen der Augen die Überzeugung der Schwester
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von der Unmöglichkeit dessen in sich auf, "dann wäre vielleicht ein Übereinkommen mit ihm möglich. Aber so - "
"Weg muß es", rief die Schwester, "das ist das einzige Mittel, Vater. Du mußt bloß den Gedanken loszuwerden suchen,
daß es Gregor ist. Daß wir es solange geglaubt haben, das ist
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ja unser eigentliches Unglück. Aber wie kann es denn Gregor
sein? Wenn es Gregor wäre, er hätte längst eingesehen, daß
ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier
nicht möglich ist, und wäre freiwillig fortgegangen. Wir hätten
dann keinen Bruder, aber könnten weiter leben und sein An-
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denken in Ehren halten. So aber verfolgt uns dieses Tier, ver-
treibt die Zimmerherren, will offenbar die ganze Wohnung
einnehmen und uns auf der Gasse übernachten lassen. Sieh
nur, Vater", schrie sie plötzlich auf, "er fängt schon wieder an!"
Und in einem für Gregor gänzlich unverständlichen Schrecken
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verließ die Schwester sogar die Mutter, stieß sich förmlich von
ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter opfern, als in Gregors Nähe bleiben, und eilte hinter den Vater, der, lediglich durch ihr Benehmen erregt, auch aufstand und die Arme wie
zum Schutze der Schwester vor ihr halb erhob.
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Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem
und gar seiner Schwester Angst machen zu wollen. Er hatte
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Franz Kafka: Erzählungen
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bloß angefangen sich umzudrehen, um in sein Zimmer zurück-
zuwandern, und das nahm sich allerdings auffallend aus, da er
infolge seines leidenden Zustandes bei den schwierigen Um-
drehungen mit seinem Kopfe nachhelfen mußte, den er hierbei
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viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und
sah sich um. Seine gute Absicht schien erkannt worden zu
sein; es war nur ein augenblicklicher Schrecken gewesen. Nun
sahen ihn alle schweigend und traurig an. Die Mutter lag, die
Beine ausgestreckt und aneinandergedrückt, in ihrem Sessel,
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die Augen fielen ihr vor Ermattung fast zu; der Vater und die
Schwester saßen nebeneinander, die Schwester hatte ihre
Hand um des
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