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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Indiens Tore unerreichbar, aber ihre Richtung
    war durch das Königsschwert bezeichnet. Heute sind die Tore
    ganz anderswohin und weiter und höher vertragen; niemand
    zeigt die Richtung; viele halten Schwerter, aber nur, um mit
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    ihnen zu fuchteln, und der Blick, der ihnen folgen will, verwirrt sich.
    Vielleicht ist es deshalb wirklich das beste, sich, wie es Bu-
    cephalus getan hat, in die Gesetzbücher zu versenken. Frei,
    unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters, bei stiller
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    Lampe, fern dem Getöse der Alexanderschlacht, liest und
    wendet er die Blätter unserer alten Bücher.

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    Franz Kafka: Erzählungen

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    EIN LANDARZT

    Ich war in großer Verlegenheit: eine dringende Reise stand
    mir bevor; ein Schwerkranker wartete auf mich in einem zehn
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    Meilen entfernten Dorfe; starkes Schneegestöber füllte den
    weiten Raum zwischen mir und ihm; einen Wagen hatte ich,
    leicht, großräderig, ganz wie er für unsere Landstraßen taugt;
    in den Pelz gepackt, die Instrumententasche in der Hand,
    stand ich reisefertig schon auf dem Hofe; aber das Pferd fehl-
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    te, das Pferd. Mein eigenes Pferd war in der letzten Nacht,
    infolge der Überanstrengung in diesem eisigen Winter, veren-
    det; mein Dienstmädchen lief jetzt im Dorf umher, um ein
    Pferd geliehen zu bekommen; aber es war aussichtslos, ich
    wußte es, und immer mehr vom Schnee überhäuft, immer
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    unbeweglicher werdend, stand ich zwecklos da. Am Tor er-
    schien das Mädchen, allein, schwenkte die Laterne; natürlich
    wer leiht jetzt sein Pferd her zu solcher Fahrt? Ich durchmaß
    noch einmal den Hof; ich fand keine Möglichkeit; zerstreut,
    gequält stieß ich mit dem Fuß an die brüchige Tür des schon
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    seit Jahren unbenützten Schweinestalles. Sie öffnete sich und
    klappte in den Angeln auf und zu. Wärme und Geruch wie von
    Pferden kam hervor. Eine trübe Stallaterne schwankte drin an
    einem Seil. Ein Mann, zusammengekauert in dem niedrigen
    Verschlag, zeigte sein offenes blauäugiges Gesicht. "Soll ich 25
    anspannen?" fragte er, auf allen vieren hervorkriechend. Ich wußte nichts zu sagen und beugte mich nur, um zu sehen, was
    es noch in dem Stalle gab. Das Dienstmädchen stand neben
    mir.
    "Man weiß nicht, was für Dinge man im eigenen Hause vor-
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    rätig hat", sagte es, und wir beide lachten. "Holla, Bruder, holla, Schwester!" rief der Pferdeknecht, und zwei Pferde,
    mächtige flankenstarke Tiere, schoben sich hintereinander, die
    Beine eng am Leib, die wohlgeformten Köpfe wie Kamele sen-
    kend, nur durch die Kraft der Wendungen ihres Rumpfes aus
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    dem Türloch, das sie restlos ausfüllten. Aber gleich standen sie aufrecht, hochbeinig, mit dicht ausdampfendem Körper. "Hilf ihm", sagte ich, und das willige Mädchen eilte, dem Knecht das Geschirr des Wagens zu reichen. Doch kaum war es bei ihm,
    umfaßt es der Knecht und schlägt sein Gesicht an ihres. Es
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    schreit auf und flüchtet sich zu mir; rot eingedrückt sind zwei
    Zahnreihen in des Mädchens Wange. "Du Vieh", schreie ich _________________________________________________________________

    Franz Kafka: Erzählungen

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    wütend, "willst du die Peitsche?", besinne mich aber gleich, daß es ein Fremder ist; daß ich nicht weiß, woher er kommt,
    und daß er mir freiwillig aushilft, wo alle andern versagen. Als wisse er von meinen Gedanken, nimmt er meine Drohung
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    nicht übel, sondern wendet sich nur einmal, immer mit den
    Pferden beschäftigt, nach mir um. "Steigt ein", sagt er dann, und tatsächlich: alles ist bereit. Mit so schönem Gespann, das
    merke ich, bin ich noch nie gefahren, und ich steige fröhlich
    ein. "Kutschieren werde aber ich, du kennst nicht den Weg", 10
    sage ich. "Gewiß", sagt er, "ich fahre gar nicht mit, ich bleibe bei Rosa."
    "Nein", schreit Rosa und läuft im richtigen Vorgefühl der Unabwendbarkeit ihres Schicksals ins Haus; ich höre die Türkette klirren, die sie vorlegt; ich höre das Schloß einspringen; 15
    ich sehe, wie sie überdies im Flur und weiterjagend durch die
    Zimmer alle Lichter verlöscht, um sich unauffindbar zu ma-
    chen. "Du fährst mit", sage ich zu dem Knecht, "oder ich verzichte auf die Fahrt, so dringend sie auch ist. Es fällt mir nicht ein, dir für die Fahrt das Mädchen als Kaufpreis hinzugeben."
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    "Munter!" sagt er; klatscht in die Hände; der Wagen wird fort-gerissen, wie Holz in die Strömung; noch höre ich, wie die

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