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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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    Franz Kafka: Erzählungen

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    sicherlich auch seine Pflicht gewesen, über den Wäschewechsel
    seines Vaters zu wachen. Er hatte mit seiner Braut darüber,
    wie sie die Zukunft des Vaters einrichten wollten, noch nicht
    ausdrücklich gesprochen, denn sie hatten stillschweigend vor-
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    ausgesetzt, daß der Vater allein in der alten Wohnung bleiben
    würde. Doch jetzt entschloß er sich kurz mit aller Bestimmt-
    heit, den Vater in seinen künftigen Haushalt mitzunehmen. Es
    schien ja fast, wenn man genauer zusah, daß die Pflege, die
    dort dem Vater bereitet werden sollte, zu spät kommen könn-
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    te.
    Auf seinen Armen trug er den Vater ins Bett. Ein schreckli-
    ches Gefühl hatte er, als er während der paar Schritte zum
    Bett hin merkte, daß an seiner Brust der Vater mit seiner Uhr-
    kette spielte. Er konnte ihn nicht gleich ins Bett legen, so fest 15
    hielt er sich an dieser Uhrkette.
    Kaum war er aber im Bett, schien alles gut. Er deckte sich
    selbst zu und zog dann die Bettdecke noch besonders weit
    über die Schulter. Er sah nicht unfreundlich zu Georg hinauf.
    "Nicht wahr, du erinnerst dich schon an ihn?" fragte Georg 20
    und nickte ihm aufmunternd zu.
    "Bin ich jetzt gut zugedeckt?" fragte der Vater, als könne er nicht nachschauen, ob die Füße genug bedeckt seien. "Es
    gefallt dir also schon im Bett", sagte Georg und legte das
    Deckzeug besser um ihn.
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    "Bin ich gut zugedeckt?" fragte der Vater noch einmal und schien auf die Antwort besonders aufzupassen. "Sei nur ruhig, du bist gut zugedeckt." "Nein!" rief der Vater, daß die Antwort an die Frage stieß, warf die Decke zurück mit einer Kraft, daß
    sie einen Augenblick im Fluge sich ganz entfaltete, und stand
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    aufrecht im Bett. Nur eine Hand hielt er leicht an den Plafond.
    "Du wolltest mich zudecken, das weiß ich, mein Früchtchen,
    aber zugedeckt bin ich noch nicht. Und ist es auch die letzte
    Kraft, genug für dich, zuviel für dich. Wohl kenne ich deinen
    Freund. Er wäre ein Sohn nach meinem Herzen. Darum hat du
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    ihn auch betrogen die ganzen Jahre lang. Warum sonst?
    Glaubst du, ich habe nicht um ihn geweint? Darum doch
    sperrst du dich in dein Büro, niemand soll stören, der Chef ist
    beschäftigt nur damit du deine falschen Briefchen nach Ruß-
    land schreiben kannst. Aber den Vater muß glücklicherweise
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    niemand lehren, den Sohn zu durchschauen. Wie du jetzt ge-
    glaubt hast, du hättest ihn untergekriegt, so untergekriegt,
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    Franz Kafka: Erzählungen

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    daß du dich mit deinem Hintern auf ihn setzen kannst und er
    rührt sich nicht, da hat sich mein Herr Sohn zum Heiraten
    entschlossen!"
    Georg sah zum Schreckbild seines Vaters auf. Der Peters-
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    burger Freund, den der Vater plötzlich so gut kannte, ergriff
    ihn wie noch nie. Verloren im weiten Rußland sah er ihn. An
    der Türe des leeren, ausgeraubten Geschäftes sah er ihn. Zwi-
    schen den Trümmern der Regale, den zerfetzten Waren, den
    fallenden Gasarmen stand er gerade noch. Warum hatte er so
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    weit wegfahren müssen!
    "Aber schau mich an!" rief der Vater, und Georg lief, fast zerstreut, zum Bett, um alles zu fassen, stockte aber in der
    Mitte des Weges.
    "Weil sie die Röcke gehoben hat", fing der Vater zu flöten 15
    an, "weil sie die Röcke so gehoben hat, die widerliche Gans", und er hob, um das darzustellen, sein Hemd so hoch, daß man
    auf seinem Oberschenkel die Narbe aus seinen Kriegsjahren
    sah, "weil sie die Röcke so und so und so gehoben hat, hast du dich an sie herangemacht, und damit du an ihr ohne Störung
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    dich befriedigen kannst, hast du unserer Mutter Andenken
    geschändet, den Freund verraten und deinen Vater ins Bett
    gesteckt, damit er sich nicht rühren kann. Aber kann er sich
    rühren oder nicht?" Und er stand vollkommen frei und warf die Beine. Er strahlte vor Einsicht.
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    Georg stand in einem Winkel, möglichst weit vom Vater. Vor
    einer langen Weile hatte er sich fest entschlossen, alles voll-
    kommen genau zu beobachten, damit er nicht irgendwie auf
    Umwegen, von hinten her, von oben herab überrascht werden
    könne. Jetzt erinnerte er sich wieder an den längst vergesse-
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    nen Entschluß und vergaß ihn, wie man einen kurzen Faden
    durch ein Nadelöhr zieht.
    "Aber der Freund ist nun doch nicht verraten!" rief der Vater, und sein hin und her bewegter Zeigefinger

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