Erzählungen
und sein Beileid in einem
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Brief mit einer Trockenheit ausgedrückt, die ihren Grund nur
darin haben konnte, daß die Trauer über ein solches Ereignis in
der Fremde ganz unvorstellbar wird. Nun hatte aber Georg seit
jener Zeit, so wie alles andere, auch sein Geschäft mit größe-
rer Entschlossenheit angepackt. Vielleicht hatte ihn der Vater
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bei Lebzeiten der Mutter dadurch, daß er im Geschäft nur sei-
ne Ansicht gelten lassen wollte, an einer wirklichen eigenen
Tätigkeit gehindert, vielleicht war der Vater seit dem Tode der
Mutter trotzdem er noch immer im Geschäft arbeitete, zurück-
haltender geworden, vielleicht spielten was sogar sehr wahr-
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scheinlich war glückliche Zufälle eine weit wichtigere Rolle,
jedenfalls aber hatte sich das Geschäft in diesen zwei Jahren
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Franz Kafka: Erzählungen
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ganz unerwartet entwickelt, das Personal hatte man verdop-
peln müssen, der Umsatz hatte sich verfünffacht, ein weiterer
Fortschritt stand zweifellos bevor.
Der Freund aber hatte keine Ahnung von dieser Verände-
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rung. Früher, zum letztenmal vielleicht in jenem Beileidsbrief,
hatte er Georg zur Auswanderung nach Rußland überreden
wollen und sich über die Aussichten verbreitet, die gerade für
Georgs Geschäftszweig in Petersburg bestanden. Die Ziffern
waren verschwindend gegenüber dem Umfang, den Georgs
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Geschäft jetzt angenommen hatte. Georg aber hatte keine
Lust gehabt, dem Freund von seinen geschäftlichen Erfolgen
zu schreiben, und hätte er es jetzt nachträglich getan, es hätte wirklich einen merkwürdigen Anschein gehabt.
So beschränkte sich Georg darauf, dem Freund immer nur
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über bedeutungslose Vorfälle zu schreiben, wie sie sich, wenn
man an einem ruhigen Sonntag nachdenkt, in der Erinnerung
ungeordnet aufhäufen. Er wollte nichts anderes, als die Vor-
stellung ungestört lassen, die sich der Freund von der Heimat-
stadt in der langen Zwischenzeit wohl gemacht und mit wel-
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cher er sich abgefunden hatte. So geschah es Georg, daß er
dem Freund die Verlobung eines gleichgültigen Menschen mit
einem ebenso gleichgültigen Mädchen dreimal in ziemlich weit
auseinanderliegenden Briefen anzeigte, bis sich dann aller-
dings der Freund, ganz gegen Georgs Absicht, für diese Merk-
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würdigkeit zu interessieren begann.
Georg schrieb ihm aber solche Dinge viel lieber, als daß er
zugestanden hätte, daß er selbst vor einem Monat mit einem
Fräulein Frieda Brandenfeld, einem Mädchen aus wohlhaben-
der Familie, sich verlobt hatte. Oft sprach er mit seiner Braut
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über diesen Freund und das besondere Korrespondenzverhält-
nis, in welchem er zu ihm stand. "Er wird also gar nicht zu unserer Hochzeit kommen", sagte sie, "und ich habe doch das Recht, alle deine Freunde kennenzulernen." "Ich will ihn nicht stören", antwortete Georg, "verstehe mich recht, er würde 35
wahrscheinlich kommen, wenigstens glaube ich es, aber er
würde sich gezwungen und geschädigt fühlen, vielleicht mich
beneiden und sicher unzufrieden und unfähig, diese Unzufrie-
denheit jemals zu beseitigen, allein wieder zurückfahren. Allein weiß du, was das ist?" "Ja, kann er denn von unserer Heirat 40
nicht auch auf andere Weise erfahren?" "Das kann ich allerdings nicht verhindern, aber es ist bei seiner Lebensweise
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Franz Kafka: Erzählungen
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unwahrscheinlich." "Wenn du solche Freunde hast, Georg, hättest du dich überhaupt nicht verloben sollen." "Ja, das ist unser beider Schuld; aber ich wollte es auch jetzt nicht anders
haben." Und wenn sie dann, rasch atmend unter seinen Küs-
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sen, noch vorbrachte: "Eigentlich kränkt es mich doch", hielt er es wirklich für unverfinglich, dem Freund alles zu schreiben.
"So bin ich und so hat er mich hinzunehmen", sagte er sich,
"ich kann nicht aus mir einen Menschen herausschneiden, der vielleicht für die Freundschaft mit ihm geeigneter wäre, als ich 10
es bin."
Und tatsächlich berichtete er seinem Freunde in dem langen
Brief, den er an diesem Sonntagvormittag schrieb, die erfolgte
Verlobung mit folgenden Worten: "Die beste Neuigkeit habe
ich mir bis zum Schluß aufgespart. Ich habe mich mit einem
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Fräulein Frieda Brandenfeld verlobt, einem Mädchen aus einer
wohlhabenden Familie, die sich hier erst lange nach Deiner
Abreise angesiedelt hat, die Du
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