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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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die Kleidung betreffende Nachlässigkeit erlauben könne oder nicht, hänge von dem Beruf ab, den man aus übe ... oft ist gute Kleidung ganz einfach die Voraussetzung, sagte ich ... jetzt forderte ich Humer plötzlich auf, seine Sache nocheinmal vorzubringen, mir sei klar, was er gesagt habe, aus allen seinen Andeutungen, angefangenen langen oder ganz einfach kurzen Sätzen, hätte ich mir von seinem Fall und das heißt um das, um was es geht, wozu er hier in meiner Kanzlei sei, ein Bild machen können, meineGewohnheit sei es aber, den Klienten seine Sache unmittelbar auf das erstemal ein zweitesmal vorbringen zu lassen, in der Wiederholung des Sachverhalts kommt das, worauf es ankomme, zum Vorschein, sagte ich, alles erscheint in einem anderen Licht, in einem unbestechlichen Licht, sagte ich, wenn man die erste Vorbringung des Sachverhalts mit der zweiten Vorbringung des Sachverhalts decke, das heißt, den Versuch mache, erste und zweite Vorbringung oder Schilderung des Sachverhalts, zu decken, oft zeige sich dann: das vorher Unbedeutende ist im Grunde bedeutend, das zuerst Bedeutende, aufeinmal unbedeutend und alles in allem gehe es plötzlich um etwas ganz anderes ... so notierte ich jetzt zu meinen Notizen von vorher, was Humer jetzt sagte und dachte, ich werde mir von dem Manne mehrere Male seine Sache vorbringen lassen, nicht nur zweimal, wie üblich, vielleicht dreimal, vielleicht viermal ... das bedeutet Sicherheit im Zusammenhang ... daß er jetzt nocheinmal alles vorbringe, sagte ich zu Humer, schreibt Enderer, sei notwendig, denn sein Fall sei mir, wenn auch schon klar, doch noch nicht vollkommen klar ... jetzt brachte Humer, schreibt Enderer, nicht nur Stichwörter, sondern er entwickelte seine Sache folgerichtig und war in der Lage, Wichtiges und Unwichtiges, zum Sachverhalt gehörendes und zum Sachverhalt nicht gehörendes, den Sachverhalt stützendes oder den Sachverhalt nur verwirrendes auseinanderzuhalten, was mich betrifft, so bin ich in meiner Praxis an diesen Leuten für diese Leute geschult, mir ist ihr Denken und mir ist ihre Redeweise vertraut ... einerseits sei seine Angelegenheit die komplizierteste, andererseits wieder nicht, sagte Humer, schreibt Enderer, mit größter Eindringlichkeit schilderte Humer die Vorgänge in seinem Haus in der Oberen Saggengasse, während ich, weil ich wieder nachlegen habe müssen, vom Ofen aus beobachtete, wie er jetzt auch noch seine Knie mehr und mehr in den Wetterfleck einwickelte, daß ich ihn auf das unstatthafteste vom Ofen aus beobachtete, mit jener Schärfe, die anzuwendenkeinem Menschen keinem Menschen gegenüber erlaubt ist, bemerkte er nicht, weil er zu Boden schaute, bei diesen Leuten weiß man nie, schauen sie zu Boden, weil sie unsicher sind in der Menschenbegegnung, also was Humer betrifft, weil er sich in meiner Kanzlei absolut unsicher fühlte, aus was für einem Grund immer, diese Leute schauen zu Boden, aus Furcht oder aus Gemeinheit, aus Unsicherheit oder aus verbrecherischer Absicht, die unglaubliche Größe des Wetterflecks fiel mir, wie ich Humer vom Ofen aus beobachtete, auf, dann auch noch seine derben Schuhe, diese ungewöhnlich derben und ungewöhnlich großen Schuhe aus Juchtenleder, seine Hose war von der altmodischen Art, breite Stulpe etcetera, mir kam vor, ausgefranst, eine Struxhose, dachte ich ... die Umständlichkeit dieser Leute ist immer die gleiche, dachte ich, während ich Humer beobachtete, wie er, wie das Frierende tun, in dieser charakteristischen Kälteverkrampfung frierender Hilfloser in fremder Umgebung, den zugeknöpften Wetterfleck mit beiden Händen fest an den Brustkorb drückte ... jetzt wußte ich schon, um was es sich handelte und ich sagte, ich weiß, um was es sich handelt, aber wenn Sie mir nocheinmal alles genau beschreiben, genau aufzählen, nichts auslassen, nichts auslassen, sagte ich, kann ich die Sache besser verstehen und um die Sache auf die nützlichste Weise angehen zu können, brauche ich eine nochmalige Schilderung aller Umstände, aller Umstände, wiederholte ich ... oberflächlich, wie gesagt, habe ich den Humer noch im Stiegenhaus, noch in der Kanzlei für einen Realitätenvermittler oder für einen Viehhändler gehalten, dieser Irrtum ärgerte mich wieder, daß Sie der Inhaber des Bestattungswäschegeschäfts sind, sagte ich plötzlich, ich habe das gar nicht sagen wollen, ich sagte das aber plötzlich, weiß ich selbstverständlich , wieder ließ ich mich auf diese Lüge ein, Humer meinte,

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