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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Wetterfleck, mir war nicht klar, was interessiert dich mehr, Humers Wetterfleck oder Humers Schicksal , aber doch, zugegeben, doch immer mehr der Wetterfleck Humers als sein Schicksal , die Katastrophe Humers, wie längst herausgekommen war, die Katastrophe dieses Menschen also immer weniger als sein Wetterfleck, ich fragte aber nicht: wo haben Sie denn den Wetterfleck her? , möglicherweise muß man einen solchen Menschen wie Humer, habe ich gedacht, direkt fragen, das Indirekte nützt nichts , ich fragte ihn aber nicht, ich überlegte die ganze Zeit, ob ich ihn frage, fragte ihn aber nicht, einerseits war ich neugierig, was Humer antwortet, wenn ich frage: wo haben Sie denn Ihren Wetterfleck her (gekauft, gefundenetcetera)?, andererseits fürchtete ich die Antwort, tatsächlich hatte ich vor gleich was für einer AntwortAngst. Ich dachte, schreibt Enderer, du sagst jetzt nichts mehr von dem Wetterfleck, den Wetterfleck vergessen, dachte ich, nichts mehr mit dem Wetterfleck, aber kaum hatte ich mir vorgenommen, nicht mehr vom Wetterfleck Humers zu reden, seinen Wetterfleck zu vergessen, den Wetterfleck auszuschalten , beschäftigte mich doch wieder nichts mehr als der Wetterfleck. Ich getraute mich aber nicht zu fragen, woher Humer den Wetterfleck hat. Ich rechnete und sagte mir: acht Jahre, natürlich, vor acht Jahren hat sich mein Onkel Worringer mit dem Wetterfleck in die Sill gestürzt und ist ohne Wetterfleck unterhalb Pradl angeschwemmt worden, ohne Wetterfleck, ohne Wetterfleck, dachte ich, während ich anstatt Zur Sache zu sagen oder zu fragen, woher haben Sie denn den Wetterfleck? vor allem aus der Tatsache, daß der Wetterfleck Humers wie der Wetterfleck meines Onkels Worringer sechs mit Chevreauleder besetzte Knopflöcher hat, darauf schloß, daß es sich bei dem Wetterfleck Humers einwandfrei um den Wetterfleck meines Onkels handeln müsse, sagte ich, ich beurteile die Menschen nach ihrem Gesicht, keine andere Urteilsbildung, sagte ich, über Menschen keine andere Urteilsbildung als die über das Gesicht, während Sie die Menschen nach ihrer Kleidung beurteilen ... tatsächlich sei ja auch meine Kleidung von minderwertiger Qualität, sagte ich, erstaunlich bei einem Anwalt ... daß seine, Humers Kleidung von minderwertiger Qualität sei, hänge mit seiner sich nach und nach durch die letzten zwei Jahrzehnte vor allem auf das schmerzlichste verfinsternden Existenz zusammen, tatsächlich habe seine Verfinsterung, wie er selbst sagte, nicht erst mit der Verheiratung seines Sohnes, sondern schon viel früher, zehn oder noch mehr Jahre vorher, sagte er, eingesetzt, mit der plötzlichen Zollsenkung und der radikalen Verbilligung von Krepp- und Seidenpapier, Rohstoffe für die Bestattungswäscheerzeugung. Vor Gericht hat man selbstverständlich in vorzüglicher Kleidung zu erscheinen, sagte ich, schreibt Enderer, die Unsinnigkeit auch dieserÄußerung war mir bewußt, noch ehe ich sie gemacht habe, aber ich bin auch vor Gericht nicht vorzüglich gekleidet, gut angezogen, ja, sagte ich, nicht vorzüglich gekleidet, ein Unterschied, sagte ich, schreibt Enderer. Ich hätte auf vorzügliche, wie überhaupt auf Kleidung nie Wert gelegt. Was ist Kleidung? sagte ich und der Satz war mir beinahe unerträglich, aber ich hatte den Satz schon gesagt. Ich frage mich nicht, bin ich ordentlich gekleidet? sagte ich, ist meine Kleidung von minderwertiger Qualität? diese Fragen stellen sich mir nicht ... daß ich nicht vorzüglich gekleidet bin, heißt ja nicht, daß ich auf abstoßende Art und Weise angezogen bin, sagte ich und: die meiste Zeit bin ich gut angezogen, weiter, mir sind Schneider verhaßt, hoffentlich verletze ich Sie nicht, sagte ich, schreibt Enderer, wenn ich sage, daß mir Schneider verhaßt sind, Herrenschneider vor allem , sagte ich und ich wußte nicht, warum ich sagte Herrenschneider vor allem und ich sagte: ich gehe in die großen Kaufhäuser . Es kommt auf die Figur an, sagte ich ... es fragt sich, sagte ich, ob ich es weiter gebracht hätte, wenn ich auf Kleidung größeren, also überhaupt Wert gelegt hätte ... es fragt sich, ist die Chance des gutgekleideten Mannes größer als die des schlechtgekleideten? ... aber Fragen dieser Art interessieren mich nicht, sagte ich, schreibt Enderer, dann plötzlich: Wetterflecke bekommt man überall zu kaufen, wenn man auch noch weiß, wo man Prozente bekommt ... es kommt auf die Profession an, die man hat, sagte Humer dann, schreibt Enderer, ob man sich eine

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