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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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in diesen Häusern in der Saggengasse und vor allem in den Häusern der Oberen Saggengasse, in diesen viel älteren Häusern, verkomme man, wenn man nichtfortwährende Überaufmerksamkeit walten ließe, man gehe unter, sagte er pathetisch, plötzlich hatte er sich aufgerichtet und pathetisch gesagt: man geht unter ... zuerst werden sie mit ihrer Umständlichkeit nicht fertig, aber dann gehen sie aus sich heraus und reden viel mehr als man hören will, schreibt Enderer, aber Humer beschränkte sich nur auf Brauchbares und selbst die Bemerkungen, die ich anfänglich für lauter überflüssige Bemerkungen seinerseits gehalten hatte, über seine Kindheit, über die Zellwollezuschneidekunst etcetera, stellten sich jetzt als wichtig heraus ... auch daß er gleich am Anfang gesagt hatte, seine Schwiegertochter sei aus Matrei gebürtig ... daß diese Leute dann, einmal warm geworden, aus sich herausgehen und im Besitze ihrer einfachen aber zuverlässigen Mittel vertrauenerweckend und schließlich vertrauensvoll sind, schreibt Enderer, zuerst zögernd, dann ganz bestimmt, furchtlos, und mir fiel jetzt am Ofen auf, wie nützlich es ist, einen solchen Menschen wie Humer längere Zeit warm werden zu lassen, nicht gleich abzufertigen, nicht gleich mundtot zu machen, nicht durch überfallsartiges Fragen zu irritieren, was ich früher immer auf so unglückliche Weise getan habe, dadurch habe ich immer alles ruiniert ... so unansehnlich Humer war, schreibt Enderer, so alt, denn zweifellos handelte es sich um einen fünfundsechzigjährigen, beinahe siebzigjährigen Menschen, in seiner ganzen Armseligkeit, ich hatte den Eindruck, er sei ein Geschöpf, mit Sicherheit habe ich plötzlich das Gefühl gehabt, ein Geschöpf ist in meiner Kanzlei ... und mit diesem Geschöpf habe ich ganz behutsam umzugehen ... doch dann irritierte mich der Gedanke, den ich noch nie gehabt habe, und ich beschäftigte mich wieder mit Humers Wetterfleck ... wenn der Mann eine Struxhose anhat, dachte ich, hat er auch eine Struxjacke an, einen Struxrock, dachte ich, die wegen ihrer Wärme einerseits, wegen ihrer Billigkeit andererseits bei den Leuten sehr beliebt sind, tatsächlich glaubte ich an dem Geruch der Kleidung Humers auf eine solche kompletteStruxkleidung, Struxhose, Struxrock, Struxjacke, schließen zu können, denn zweifellos war die Hose Humers eine Struxhose, wie ich auch in dem Halbdunkel der Kanzlei, das elektrische Licht ist an den Novembervormittagen das schwächste, Ursache sind die einerseits fast versiegenden Hochgebirgsquellen, andererseits die unglaublich entwickelten Industrien, feststellen habe können, eine Struxhose und eine Struxjacke und einen Struxrock, das paßt ganz zu seiner Person, dachte ich ... und darüber der Wetterfleck ... und der schwarze Hut auf dem Kopf und die grauen Schladmingersocken ... einerseits ist meine Angelegenheit die komplizierteste, andererseits nicht, sagte er wieder, schreibt Enderer und wie zur Bekräftigung dessen, was er bisher gesagt hatte, wiederholte er in bestimmten Abständen immer wieder den Ausgangspunkt seiner Tragödie (sein Wort), schreibt Enderer, er sagte: wie mein Sohn zweiundzwanzig Jahre alt geworden ist, immer wieder, wie mein Sohn zweiundzwanzig Jahre alt geworden ist und dann: wie mein Sohn geheiratet hat und wie meine Schwiegertochter ins Haus gekommen ist aus Matrei ... nach fünf oder sechs oder acht Sätzen sagte er immer wieder wie mein Sohn einundzwanzig Jahre alt geworden ist oder wie meine Schwiegertochter ins Haus gekommen ist aus Matrei , der Eindruck, alles, was Humer sagte, sei düster, wenn nicht gänzlich verfinstert, war naturgemäß durch die schwache elektrische Beleuchtung und überhaupt durch die Jahreszeit, noch verstärkt. Aufeinmal sagte er: weil Sie überhaupt nichts von mir wissen und weil wir zwei Jahrzehnte aneinander vorbei gegangen sind ... der Satz hing längere Zeit in der Luft, bis er sagte: wenn Sie aber mein Geschäft kennen ... darauf ich, schreibt Enderer: ich bin nie in Ihrem Geschäft gewesen, tatsächlich kenne ich das Bestattungswäschegeschäft in der Saggengasse, aber ich bin nie in dem Geschäft gewesen, ich wollte Humer darüber nicht in Zweifel lassen. Mein Vater hat mir vor vierzig Jahren das Geschäft hinterlassen, sagte Humer, schreibt Enderer, dann:mit dem Geschäft ist es aufwärts gegangen, mit mir abwärts. Auch diesen Satz, schreibt Enderer, hat Humer schon mehrere Male gesagt. Was das Geschäft betrifft, so Humer, schreibt Enderer,

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