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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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rheumatisch, sondern rheumatistisch), also eine Linderung seiner rheumatischen Zustände konstatieren können, schreibt Enderer. Er war zur Überzeugung gekommen, daß es ein Vorteil ist, aus der ebenerdigen Wohnung aus- und in den ersten Stock hinauf gezogen zu sein. Gleich in den ersten Tagen eine Besserung meiner Rückenschmerzen, sagt Humer. Davon sagte ich aber nichts, damit sie (meine Kinder) das nicht ausnützen konnten, denn hätte ich auch nur den geringsten Vorteil zugegeben, sie hätten das sofort ausgenützt. Ich bin aufeinmal imstande gewesen, schneller zu gehen, mich zu bücken und zwar bis auf den Fußboden zu bücken, wozu ich schon Jahrzehnte nicht mehr imstande gewesen war, er erfreute sich ganz allgemein einer größerenund beinahe schmerzfreien Beweglichkeit im ersten Stock. Davon sagte ich aber nichts, sagt Humer, im Gegenteil. Auch machte er die Beobachtung, im ersten Stock ist es heller. Man kann Licht sparen, die Luft ist besser, mehr Sauerstoff, geringerer Lärm. Aber daß er den Geschäftsgang und also die Machenschaften, die unten im Geschäft vor sich gingen, nicht mehr so leicht kontrollieren konnte wie von seiner ebenerdigen Wohnung aus, verbitterte ihn. In der Ersterstockwohnung war ich vollkommen abgeschlossen vom Geschäft, damit rechneten sie, sein Sohn und seine Schwiegertochter, daß ich nicht alle Augenblicke vom ersten Stock hinunter kann ins Geschäft, um eine Kontrolle zu machen, das kalkulierten sie alles ein, meine Unbeweglichkeit, die Schwierigkeit, diese steile Treppe auf- und abzusteigen. Alles Berechnung, sagte er. Betrug und Berechnung. Ich war abgeschlossen im ersten Stock, ja ich hörte von dort oben aus nicht einmal das Klingeln an der Geschäftstür, sagt Humer, das vergrößerte meinen Verdacht. Ungestört konnte sich der Betrug unter mir, der ich im ersten Stock oben saß, ausbreiten, und wie sich der Betrug unter mir ausbreiten konnte, das sehen Sie ja an den Papieren, die ich mitgebracht habe. Durch den verheerenden Einfluß seiner Frau war mein Sohn aufeinmal zu allem fähig. Hinter Lügen verschanzt alles, sagt Humer, schreibt Enderer. Eine ungeheure Verheimlichungstaktik, sagt Humer. Abgesehen davon, hatte er sich aber über Anfangsschwierigkeiten weg rasch an den neuen Zustand, wohnen im ersten Stock, gewöhnt. Aber, was er mir vorher schon gesagt und was ich schon längst notiert hatte, schreibt Enderer, nach drei Monaten ist mir nahegelegt worden, ich solle aus dem ersten Stock aus- und in den zweiten Stock hinauf ziehen, aufeinmal sollte ich auch aus dem ersten Stock ausziehen und in den zweiten hinauf, sagt Humer, schreibt Enderer. Überall Haß gegen mich, meines Sohnes Haß, meiner Schwiegertochter Haß. Einzig und allein mein Aufundabgehen an der Sill, sagte Humer, schreibt Enderer, sonstnichts als Haß gegen mich, der ich noch da bin . Ein Kind komme, hieß es. Gerade davor hatte ich wie vor nichts Angst, Herr Doktor, so Humer, schreibt Enderer, daß der Augenblick kommt, in welchem von einem Kind die Rede ist, ist ein Kind da, trennen sich die Eheleute nicht mehr so leicht, aber auch ohne Kind hätten sie sich nicht mehr getrennt, denn meine Schwiegertochter ist die Berechnendste, sagte Humer. Ein Kind also und man komme mit dem vorhandenen Wohnraum, ist das Kind da, nicht mehr aus, jetzt war es das bevorstehende Kind, zuerst war es ein anzulegendes Zellstofflager, dann ein Sarglager gewesen, aber während Zellstoff- und Sarglager Lüge gewesen waren, sagt Humer, glaubte ich doch an das Kind. Keine Nacht Schlaf, sagt Humer, schreibt Enderer, ein Kind, ein Kind. Ich wehrte mich aber nicht lange und zog noch den gleichen Tag in den zweiten Stock, so Humer, die Schwierigkeit war gewesen, mit den Möbelstücken über die doch recht schmale Treppe vom ersten in den zweiten Stock hinauf zu kommen, tatsächlich brachten sie aber alle Möbelstücke in den zweiten Stock hinauf, ich zweifelte nicht einen Augenblick an dem Kind, sagt Humer, ich mußte ja daran glauben, das Kind war ja schon da, wie ich aufeinmal gesehen habe, ist das Kind ja schon da, es sei so vieles auf so schmerzhafte Weise absurd , sagte ich, schreibt Enderer, darauf Humer: das Enkelkind kam, aber ich habe natürlich nicht eingesehen, warum ich wegen des Enkelkinds in den zweiten Stock ziehen habe müssen, aber ich hatte mich mit der Tatsache abgefunden, endgültig im zweiten Stock zu sein, das war mein Opfer, Herr Doktor, sagt Humer, schreibt Enderer, wenn mir auch nicht klar werden

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