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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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zumir, schreibt Enderer, ist das nicht unsinnig? Ist das nicht unsinnig und stumpfsinnig zugleich? Mehrere Male sagt Humer zu mir: ist das nicht vollkommener Stumpfsinn? Ein Verbrechen, ein viertes Kind! sagt Humer, schreibt Enderer. In diesen Zeiten, habe ich gesagt, so Humer, schreibt Enderer, in welcher um Hunderte Millionen Menschen zuviel sind, ein viertes Kind? Dann soll er, seiner Angabe nach, mehrere Male ausgerufen haben: ein viertes Kind! Ein viertes Kind! Ein viertes Kind! Und ein fünftes Kind! Und ein sechstes Kind! Und ein siebtes Kind! Und ein achtes Kind! Und so fort! Und so fort! Mehrere Male: Und so fort! Und so fort! Von unten herauf hörte ich die Schwiegertochter, sagt Humer, schreibt Enderer, wie sie sagt: wenn er nicht in den dritten Stock hinauf geht, muß er ins Altersheim! Das hörte ich von unten herauf, sagt Humer, schreibt Enderer. Und mein Sohn sagt, sagt Humer: du ziehst in den dritten Stock! Darauf habe er, Humer, die Beherrschung verloren und so laut er konnte, geschrien: ein viertes Kind! Ein viertes Kind! In den dritten Stock! In den dritten Stock! Ein viertes Kind! Ein fünftes Kind! usf. und dann nur noch: Kinder! Kinder! Kinder!, bis zur völligen Erschöpfung, schreibt Enderer, dann sagt Humer, schreibt Enderer: dein Sohn versteht dich nicht, er versteht dich nicht mehr, habe ich denken müssen und: was diese Frau aus deinem Sohn gemacht hat. Und Humer stand auf, schreibt Enderer und fing an, in der Kanzlei hin und her zu gehen, ab und zu zeigte er auf die mitgebrachten Papiere auf meinem Schreibtisch und sagte: alles schon durch und durch kriminalistisch, alles schon durch und durch kriminalistisch. Alles schon fürs Gericht! Kein Zurück, sagt er, kein Zurück. Plötzlich, sagt Humer, schreibt Enderer, habe ich gesagt: nein, in den dritten Stock nicht, in den dritten nicht. Kategorisch! Nicht in diese menschenunwürdigen Kammern! habe ich gesagt, sagt Humer, so Enderer, nicht in diese finsteren Schlupfwinkel hinauf. Dann sei er weggegangen, an die Sill und dann stundenlang an der Sill auf und ab, soEnderer, dann Humer, wie Enderer schreibt: und wie ich nach Hause gekommen bin, hat mein Sohn schon den Großteil meiner Sachen in den dritten Stock und das bedeutete, auf den Dachboden hinauf geschleppt gehabt. Sofort habe ich gesehen, sagt Humer, schreibt Enderer, der hat schon beinahe alle deine Sachen in den dritten Stock geschleppt, alles hinauf geschleppt. Und da haben sie, mein Sohn und meine Schwiegertochter, auch schon angefangen, meine Möbelstücke vom zweiten Stock in den dritten Stock hinauf zu schleppen, wenn Sie in der Saggengasse wohnen, sagt Humer zu mir, schreibt Enderer, dann wissen Sie ja, wie der dritte Stock aussieht, in der ganzen Saggengasse schaut es im dritten Stock so aus, für Wohnzwecke vollkommen ungeeignet, das mehrere Male: für Wohnzwecke vollkommen ungeeignet . Herrichten, bewohnbar machen , sagten sie, sagt Humer. Und alles mußte sofort sein, alles sofort . Die Möbelstücke und den Vater gleich hinauf auf den Dachboden, Herr Doktor, sagt Humer, schreibt Enderer. Notdürftig haben sie mir zwei Spanische Wände auf dem Dachboden aufgestellt und mir einzureden versucht, der Dachboden sei bewohnbar. Bis es kalt wird und zu schneien anfängt, haben wir hier heroben alles wintersicher gemacht, sagt mein Sohn, sagt Humer, schreibt Enderer, man kann dann heizen heroben, sagt mein Sohn. Und stellen Sie sich vor, sagt Humer, die ganze Zeit während mein Sohn und seine Frau meine Möbelstücke auf dem Dachboden hin- und herrücken, kann ich nicht sprechen, als ob ich die Sprache verloren hätte , sagt Humer, ich will , aber kann nicht sprechen, ich stehe eingewickelt in den Wetterfleck da und kann nichts sagen. Und wie ich aufeinmal schweigen habe müssen! sagt Humer. Dieser grauenhafte, ekelerregende Dachbodengeruch, den ich von Kindheit an gehaßt habe, sagt Humer. Alles Moder, alles Schmutz und Moder. Fortwährend sagt mein Sohn das Wort umbauen , sagt Humer, schreibt Enderer, immer wieder umbauen, heizbar machen . Schließlich haben sie alle meine Möbelstückeauf dem Dachboden gehabt und mir auch noch das Bett gemacht, und ich habe zuschauen müssen, unbeweglich , mir war es nicht möglich gewesen, sie zu verjagen, kein Schritt, kein Wort, sagt Humer, schreibt Enderer. Während des Umbaues solle ich zu meiner Schwester nach Hall, haben sie gesagt, sagt Humer, schreibt Enderer, du fährst in der Zwischenzeit nach Hall, höre ich meinen Sohn, sagt Humer.

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