Erzaehlungen
paar Bissen aber legte er Gabel und Messer weg, sah mir voll ins Gesicht und sagte: »Du bist ein guter Mensch, aber du wirst es doch nicht besser machen!«
Ach! Dasselbe hatte er mir ja schon gesagt, mit seiner kummertrüben Miene.
»Nein, ich werde es vielleicht nicht besser machen«, entgegnete ich, »aber es wird gut werden, wenn du vernünftig bist. Ich begreife dich ja«, fuhr ich fort, »mir fehlt das Verständnis nicht für dein reizbares, krankes Poetengemüt, du wärst eigentlich gar kein Dichter, wenn du in deine Türkisa nicht verliebt wärest.«
»Und da sie stirbt, muß ich elend sein«, unterbrach er mich und sah mich bebend an.
Von dieser fixen Idee ließ er nun nicht mehr, und auf all mein Zureden hatte er nur mehr eine ablehnende Kopfbewegung. Ich fühlte, daß diesem Wahne gegenüber meine Weisheit zu Ende sei.
Wir saßen geraume Zeit da, dann gingen wir auch im Walde umher. Es war ein entsetzlicher Tag. Wie verging er mir? Kaum weiß ich's selbst; so schwer, so bange lasteten die Stunden auf mir.
Die Sonne stand weit im Westen, als wir uns wieder in den Wagen setzten. Die wohlausgeruhten Pferde trabten mit vergnüglicher Schnelle über den Waldweg.
So waren wir eine Strecke weit gefahren, als ich bemerkte, daß mein Freund unruhig wurde.
Die Sonne begann zu sinken, und die Dämmerung breitete sich langsam über die Auen ... »Schneller!« sagte er leise ...
Wir fuhren genugsam rasch, und da man schon die ersten Häuser der Stadt am Ende der Landstraße gewahrte, schien es, als ob wir noch vor Dunkelheit zu Hause ankommen sollten; doch die Abendschatten täuschten.
»Schnell, schnell!« rief Ypsilon, so daß es der Kutscher hörte und seine Pferde antrieb ...
»Was ist dir denn?« fragte ich.
»Nach Hause!« murmelte er. »Ich muß zu Ende kommen.«
Sein Atem ging rascher; in seinen Mienen zuckte es, zeitweise saß er still da, dann wieder entstieg ihm ein jammervoller Seufzer. In den Kastanien zu Seiten des Weges raschelte es, und ein kühler Luftzug erhob sich ... Mir schauerte es ein wenig ...
»Nach Hause, nach Hause!« rief Ypsilon laut, doch wie stöhnend.
»Laß doch«, beschwichtigte ich ihn, »wir kommen früh genug heim. Was willst du auch daheim? ... Du darfst nicht mehr arbeiten.«
Er sah mich an, ganz erstaunt. »Ich muß doch«, sagte er.
Jetzt fuhren wir zwischen den ersten Laternen der Vorstadt. Immer ruheloser wurde Ypsilon. Er fuhr mit den Händen hin und her, und seine Augen irrten; auch atmete er wie ein Fieberkranker ...
Er atmete so heftig, daß sich der Kutscher umwandte und ihn mit Verwunderung betrachtete. Dann hieb er auf die Pferde ein, und mit großer Geschwindigkeit rollten wir auf dem lärmenden Pflaster dem Wohnhause meines Freundes zu. Ein oder das andere Mal rief ich ihn noch an: »Ypsilon! Ypsilon!« Er aber hörte gar nicht auf mich; in unendlich hastiger Arbeit schien sein Geist befangen, und meiner bemächtigte sich eine immer trübseligere Stimmung.
Ein Bild tauchte vor mir auf, als wir durch die schlechterleuchteten Gassen fuhren, das ich nimmer loswerden konnte ... Ich sah die Prinzessin Türkisa im Sarge liegen, der ganz von Glas war, und davor stand mein unseliger Dichter mit tränenlosen, schmerzlichen Augen..
Da hielten wir vor dem Hause; Ypsilon sprang aus dem Wagen und stürmte über die Treppen. Als ich hinaufkam, saß er schon vor seinem Schreibtisch mit den vier roten Kerzen und hörte mich nicht, als ich eintrat.
Eben begann er zu schreiben. Alles um ihn war versunken. Die sterbende Türkisa bannte ihn in ihren Kreis.
Ich legte mich auf den Diwan und gedachte hierzubleiben, da ich ernstlich unruhig war.
Seine Feder hastete übers Papier, das Fenster war offen, die Kerzenlichter flackerten. Die losen Blätter seiner Geschichte flogen auf dem Tisch durcheinander. Der Ausdruck seines Gesichts ward immer bewegter; dabei war er aber totenblaß.
In einem Augenblick hatte ich das deutliche Gefühl, daß Türkisa starb. Er schrieb plötzlich etwas langsamer, während er schwer atmete und mit stierem Blicke auf die vor ihm liegenden Zeilen starrte. Dann ließ er die Feder aus der Hand fallen, sein Kopf sank herab, und er weinte bitterlich, herzbrechend. Mir wurde wohler, freier. Ich dachte, jetzt sei es vorbei, der Bann gelöst, die schreckliche Phantasie, in der er tagelang gelebt, sei zerstoben, verweht. Ja, mir war, als ginge in der ganzen Atmosphäre rings um uns her eine Veränderung vor. Böse Geister rauschten durchs Fenster
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