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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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der Überlegenheit, beinah des Mitleids. Ja, das weiß sie, nicht für ein ganzes Leben, wie diese Frau es führt, möchte sie jene eine Stunde hergeben. Dabei, so denkt sie, während sie wieder nach Hause spaziert, ist sie gar nicht recht zum Bewußtsein ihres Glücks gekommen, das war ja alles so rasch vorbei. Und dann dieses Zimmer, diese ganze Wohnung, dieses schreckliche Bild .... Nein, nein, es war eigentlich alles eher häßlich. Wirklich schön war doch nur, wie er sie nachher im Wagen nach Haus begleitet und ihr Kopf an seiner Brust geruht hat ... Ah, er hatte sie schon lieb – freilich nicht so wie sie ihn, aber war das auch möglich? Was für ein Leben lag hinter ihm! – Sie dachte jetzt daran ohne Eifersucht, eher mit einem leichten Bedauern für ihn, der soviel in seinem Gedächtnis mitzutragen hatte. Denn daß er das Leben nicht leicht nahm, sah man ihm an ... Ein heiterer Mensch war er nicht .... Alle die Stunden, die sie mit ihm verbracht, waren in ihrer Erinnerung wie von einer unbegreiflichen Wehmut umflossen. Wenn sie nur alles von ihm wüßte! Er hatte ihr so wenig, .... nichts, nichts hatte er von sich erzählt! ... Aber wie sollte er das auch am ersten Tag? Ah, wenn er sie nur wirklich kennte! Wenn sie nur nicht so schüchtern, so unfähig wäre sich auszudrücken ... Sie muß ihm noch einmal schreiben, eh sie ihn wiedersieht .... Ja, noch heute wird sie das tun. Der Brief, den sie ihm gestern geschickt hat, wie war der dumm! Er konnte auf den wahrhaftig nicht anders antworten, als er getan. Sie durfte weder herausfordernd schreiben, noch demütig ... nein, sie war ja doch seine Geliebte! Sie die hier durch die Straßen ging, von all den Leuten, die ihr begegneten, wie ihresgleichen angesehen, ... sie war die Geliebte dieses herrlichen Menschen, den sie seit ihrer Jugend angebetet. Und wie rückhaltlos, wie ohne Ziererei hatte sie sich ihm hingegeben, – keine von allen Frauen, die sie kannte, hätte das getan! .... Ah, und sie täte noch mehr! O ja! sie würde auch bei ihm leben, ohne seine Frau zu sein, und es wäre ihr sehr gleichgültig, was die Leute sagten .... sie wäre sogar stolz darauf! Und später würde er sie ja doch heiraten .... ganz gewiß. Sie war auch eine so vortreffliche Hausfrau .... Und wie wohl mußte ihm das tun, nach soviel ungeordneten Wanderjahren in einem wohlbestellten Hauswesen zu leben, ein braves Weib an seiner Seite, das nie einen anderen geliebt hat als ihn.
    Sie war wieder zu Hause und richtete sich noch, bevor das Mittagessen aufgetragen wurde, alles zum Schreiben her. Sie aß in fieberhafter Ungeduld, sie nahm sich kaum Zeit, ihrem Buben vorzuteilen und vorzuschneiden, dann ließ sie ihn durch das Dienstmädchen auskleiden und zum Nachmittagsschlaf ins Bett legen, was sie sonst immer selbst tat, setzte sich zum Schreibtisch, und die Worte flossen ihr mühelos aus der Feder, als sei der ganze Brief in ihrem Kopf längst fertig gewesen.

    »Mein Emil, mein Geliebter, mein alles!

    Seit ich wieder zurück bin, hab' ich eine unbezwingbare Lust, Dir zu schreiben und möchte Dir nur immer und immer sagen, wie glücklich, wie unendlich glücklich Du mich gemacht hast. Ich war Dir im Anfang böse, daß Du mir für den Sonntag abgeschrieben hast, auch das muß ich Dir gestehen, weil ich das Bedürfnis habe, Dir alles zu sagen, was in mir vorgeht. Leider konnte sich dies nicht, solang ich mit Dir zusammen war; es ist mir nicht gegeben, aber jetzt finde ich die Worte, und Du mußt es schon ertragen, daß ich Dich mit meinem Geschreibsel langweile. Liebster, Einziger – ja, das bist Du, wenn Du auch, wie es scheint, nicht so ganz davon überzeugt warst, wie Du es sein solltest. Ich bitte Dich, glaub' es mir. Schau, ich hab' ja nichts anderes als diese Worte, um es Dir zu sagen. Emil, ich habe nie, nie jemanden andern geliebt als Dich – und werde nie einen andern lieben! Mach' mit mir, was Du willst, nichts bindet mich an die kleine Stadt, in der ich jetzt lebe, – ja, vielmehr es ist mir öfter schrecklich, hier existieren zu müssen. Ich will nach Wien ziehen, um in Deiner Nähe zu sein. O, habe keine Angst, ich werde Dich nicht stören! Ich bin ja nicht allein, habe mein Kind, welches ich
abgöttisch
liebe. Ich werde mich einschränken, und schließlich, warum soll es mir nicht gelingen, geradeso wie hier, auch in einer großen Stadt wie Wien, ja vielleicht noch eher, Lektionen zu finden, durch die ich meine Lage aufbessern kann. Doch ist dies Nebensache, da es

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