Erzaehlungen
mir an den Hals geworfen und hast nichts Besseres gewünscht, als daß ich dich nehme, wie du bist ... Und wenn sie sich selbst fragte – hatte er nicht recht? ... Ist sie nicht hierher gekommen, um seine Geliebte zu werden – nur darum ... ohne jede Rücksicht auf früher, ohne jede Sicherheit für später ... ja nur darum! Alle anderen Wünsche und Hoffnungen hatten ihre Begierde nur flüchtig umschwebt, und sie war nichts Besseres wert als das, was ihr geschehen ... Und, wenn sie ehrlich gegen sich selbst ist, muß sie sich auch sagen: von allem, was sie erlebt hat, ist das noch immer das Beste gewesen ...
Sie ist an einer Ecke stehen geblieben, es ist ganz still um sie, die Sommerluft über ihr wird dunstig und schwül. Sie nimmt den Weg zurück ins Hotel. Sie ist sehr müde, und ein neuer Gedanke zuckt in ihr auf: ob er ihr nicht nur deshalb abgeschrieben hat, weil auch er müde ist ..... Sie kommt sich sehr erfahren vor, wie ihr das einfällt ... Und noch eins geht ihr durch den Sinn ... Er kann auch eine andere nicht auf andere Art lieben als sie ... Und plötzlich fragt sie sich, ob denn die heutige Nacht ihr einziges Erlebnis bleiben – ob sie selbst keinem anderen mehr angehören wird als ihm? Und sie freut sich dieses Zweifels, als nähme sie damit an seinem mitleidigen Blick und seinen spöttischen Lippen eine Art von Rache.
Nun ist sie wieder oben im dritten Stock des Hotels in dem ungemütlichen Zimmer. Noch immer sind die Reste des Mittagessens nicht abgeräumt, noch immer liegen Jacke und Blumen auf dem Bett. Sie nimmt die Blumen in die Hand, führt sie an die Lippen, als wollte sie sie küssen. Plötzlich aber, als bräche ihr ganzer Zorn wieder hervor, schleuderte sie sie heftig auf die Erde. Dann wirft sie sich aufs Bett, die Hände überm Gesicht.
Als sie eine Weile so gelegen war, würde sie sehr ruhig, immer ruhiger. Es war vielleicht ganz gut, daß sie noch heute nach Hause fahren konnte. Sie dachte an ihren Buben, wie er in seinem Bettchen zu liegen und mit dem ganzen Gesicht zu lachen pflegte, wenn die Mutter sich über das Gitter beugte. Sie sehnte sich nach ihm. Sie sehnte sich auch ein wenig nach Elly und nach Frau Rupius. Ja richtig – die wollte ja von ihrem Manne fortgehen .... Was da dahinter stecken mochte? ... Eine Liebesgeschichte? ... Aber sonderbar, jetzt konnte sie sich das noch weniger vorstellen, als früher.
Es wird spät, es ist Zeit, sich zur Abreise bereit zu machen ... So wird sie also schon Sonntag Abend wieder zu Hause sein.
Sie sitzt im Kupee, auf ihrem Schoß liegen die Blumen, die sie wieder vom Boden aufgehoben .... Ja, nun fährt sie nach Hause, verläßt die Stadt, wo sie ... etwas erlebt hat – so nennt man es doch wohl? .... Worte schwirren ihr durch den Sinn, die sie in solchem Zusammenhang gelesen oder gehört hat .... Worte wie: Seligkeit ... Liebesrausch ... Taumel ... und ein leiser Stolz regt sich, daß sie das erfahren hat, was diese Worte bedeuten. Und noch ein anderer Gedanke kommt ihr, der sie seltsam beruhigt: Wenn er auch – vielleicht – jetzt ein Verhältnis mit einer anderen Frau hat ....
der
hat sie ihn genommen ... nicht für lang freilich, aber doch so vollkommen, wie man einer Frau einen Mann nur nehmen kann. Sie wurde immer ruhiger, beinahe heiter.
Das war ja klar, daß sie, Berta, die unerfahrene Frau, sich nicht mit einem Ansturm völlig in den Besitz des Geliebten setzen konnte .... Aber ob es ein anderes Mal nicht gelänge? ... Sie freute sich sehr, daß sie nicht ihrem Entschluß gefolgt war, gleich zu ihm zu laufen, ja sie faßte sogar die Absicht, ihm einen so kühlen Brief zu schreiben, daß er in einen gelinden Ärger geraten müßte, sie wollte kokett, verschlagen sein ... Aber sie mußte ihn wieder haben, das wußte sie ... bald und womöglich für immer! ... Und so gingen ihre Träume weiter, während der Zug sie nach Hause führte ... immer kühner, je tiefer das Sausen der Räder sie in den Schlummer sang ...
Die kleine Stadt lag schon in Schlaf, als sie ankam. – Zu Hause gab Berta dem Dienstmädchen den Auftrag, ihren Kleinen in aller Früh von ihrer Schwägerin abzuholen. Dann kleidete sie sich langsam aus. Ihre Augen fielen auf das Bild ihres verstorbenen Gemahls über ihrem Bett. Sie fragte sich, ob es weiter da hängen dürfe. Als sie jetzt daran dachte, daß es Frauen gibt, welche von ihrem Geliebten kommen und dann an der Seite ihres Gatten schlafen können, schauderte sie ... Nie hätte sie so etwas zu
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