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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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kam ihm, der ihn mit einer Art von Rührung erfüllte und dessen er sich freute. Nun hatte er noch etwas für die Geliebte zu tun, bevor er dahinging. Er nahm den Weg zu einer Kunsthandlung in der Bahnhofstraße; dort fragte er, ob eine Bronzenachahmung des Theodorich in natürlicher Größe zu beschaffen sei. Ein Zufall wollte er, daß eine solche vor einem Monat fertig geworden war; der Besteller, ein Lord, war gestorben, und die Erben weigerten sich, das Kunstwerk zu übernehmen. Albert fragte nach dem Preis. Er entsprach ungefähr dem Rest seines Vermögens. Albert gab seine Wiener Adresse an und erteilte genaue Weisung, in welcher Art ein Vertrauensmann der Firma die Aufstellung im Garten des Häuschens besorgen sollte. Dann empfahl er sich, eilte durch die Stadt, nahm den Weg durch die Vorstadt Wilten gegen Igls zu, und im Wäldchen erschoß er sich, gerade als die Sonne Mittag zeigte.
    Katharina kehrte erst einige Wochen nach diesem Vorfall nach Wien zurück. Indessen war Albert in der Grazer Familiengruft beigesetzt worden. Am Abend ihrer Ankunft stand Katharina eine geraume Weile im Garten vor der Bildsäule, die unter hohen Bäumen einen schönen Platz gefunden. Dann begab sie sich in ihr Zimmer und schrieb einen längeren Brief nach Verona postlagernd an Andrea Geraldini. So hatte sich nämlich ein Herr genannt, der ihr von der Hofkirche aus gefolgt war, als sie Theodorich den Großen verlassen hatte, und von dem sie ein Kind unter dem Herzen trug. Ob das auch der richtige Name des Herrn war, erfuhr sie nie; denn sie erhielt keine Antwort.

Arthur Schnitzler
Exzentrik

Gestern nacht sitz' ich im Kaffeehaus, da sagt plötzlich einer hinter mir: »Ah non – ça – nie wieder!«
    Ich hätte nicht aufzusehen brauchen; das war
August.
Er war schön und elegant wie immer. Mit jener wunderbaren Leichtigkeit, um die ich ihn immer im stillen beneidet habe, nahm er an dem kleinen Tischchen mir gegenüber Platz, ohne den gelben Überzieher, der ihm nur um die Schultern hing, abzulegen, rückte den kleinen, steifen, runden, schwarzen Hut, über den noch mehr zu sagen sein wird, tief in die Stirn und rief einen Kellner herbei, der, über dem Billard liegend, eine Zeitung las. Es war nämlich halb drei Uhr morgens, im Mai, und wir waren die letzten Gäste.
    Der Kellner kam rasch herbei. »Guten Abend, Herr von Witte.«
    »Was, guten Abend – nom d'un nom – wollen Sie mich frozzeln? Bringen Sie mir lieber was zum Essen oder Trinken.«
    »Bitte, Herr von Witte – einen kleinen Schwarzen – einen Kognak ...?«
    August sah den Kellner düster an. »Sie irren sich«, sagte er, »bringen Sie mir zwei Sardinen, zwei weiche Eier in einem harten Glas, ein Schinkenbrot und eine Flasche Bier.«
    Der Kellner verschwand. August nahm mir die Zeitung aus der Hand und schleuderte sie auf einen andern Tisch. »Ich bin nämlich da, verstehst du?«
    »Man merkt es«, erwiderte ich heiter. »Woher kommst du denn so spät?«
    »Woher ...?« sagte August und sah mich mit einem wehmütig-dämonischen Blicke an. »Ich würde an einen Menschen um drei Uhr morgens, wenn er nicht zufällig im Frack ist, nie eine solche Frage stellen. Aber du bist und bleibst ein Rüppel – jawohl«, setzte er hinzu, indem er den armen Mitterwurzer nicht ohne Glück zu kopieren versuchte, »ein Rüppel, ein Rüppel!«
    Ich erwiderte nichts, nahm eine Zeitung und las eine Weile. Plötzlich strömte mir aus dem Blatt eine sonderbare Wärme entgegen, gleich darauf fing die Notiz über die neue Operette von Charles Weinberger zu glühen und zu verkohlen an, und das Ende einer frisch angezündeten Zigarette erschien im Mittelpunkt. Aber ich lächelte nur wenig; so verwöhnt hatte mich August im jahrelangen vertrauten Umgang durch ähnliche und noch viel bessere Scherze.
    »Soll ich dir einen Rat geben?« fragte er dann plötzlich.
    »Ich bitte darum«, antwortete ich höflich.
    August sah mich an und sagte scharf und bestimmt: »Alles, mein Lieber, du verstehst mich, alles, nur keine Exzentriksängerin!«
    »Gewiß, gewiß«, sagte ich.
    »Alles«, wiederholte August – »Blumenmädeln, alleinreisende Damen aus Rumänien, Flötenbläserinnen, Schornsteinfegersgattinnen, Tragödinnen. Les dernières des dernières ... Alles, mein Lieber, nur keine Exzentrik!«
    Ich nickte schlagfertig. Der Kellner brachte, was August bestellt, und mein Freund begann zu essen und zu trinken. Aber schon nach dem ersten Schluck Bier sprach er weiter. »Gegenüber diesen

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