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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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fünfzig Perzent draufschlagen. Auch wenn man mit ihnen einkaufen geht, das ist eine alte G'schicht'.« Und er lachte dröhnend.
    Der junge Doktor Bertram, der sich seit Beginn des Ausflugs stets in der Nähe Beatens gehalten hatte, breitete seinen grünen Mantel auf die Wiese hin. »Bitte, gnädige Frau«, sagte er und wies mit einem feinen Lächeln hinab. Seine Worte und Blicke waren sehr anspielungsreich, seit er vor vierzehn Tagen durch das Gitter des Tennisplatzes Beatens Finger geküßt hatte. »Danke«, erwiderte ablehnend Beate, »ich bin versorgt.« Und, auf einen Blick von ihr, rollte Fritz den schottischen Plaid, den er auf dem Arm trug, mit kühnem Schwünge auf. Aber der Wind strich so stark über die Alm, daß der Plaid flatterte gleich einem Riesenschleier; bis ihn Beate am andern Ende erfaßte und ihn mit Fritzens Beihilfe niederbreitete.
    »Da heroben weht immer so ein Lüfterl«, sagte der Baumeister.
    »Aber schön ist es, was?« Und mit einer großen Handbewegung wies er in die Runde.
    Sie befanden sich auf einer weithin gedehnten kurzgemähten Wiese, die, gleichmäßig abfallend, die Aussicht nach allen Seiten freiließ, blickten rings um sich und schwiegen eine Weile in beifälliger Betrachtung. Die Herren hatten ihre Lodenhüte abgenommen; Hugos Haar war noch zerwühlter als sonst, die gesträubten weißen Haarspitzen des Baumeisters rührten sich, auch Fritzens wohlgepflegte Frisur litt einigen Schaden, nur Bertrams niedergekämmtem hellblonden Scheitel vermochte der Wind, der unablässig über die Höhe strich, nichts anzuhaben. Arbesbacher nannte die einzelnen Bergkuppen mit Namen, gab die verschiedenen Höhenmaße an und bezeichnete einen Felsen jenseits des Sees, der von Norden aus bisher nicht erstiegen worden sei. Doktor Bertram bemerkte, dies sei ein Irrtum; er selbst habe jene Nordwand voriges Jahr erklettert.
    »Da müssen Sie aber der erste gewesen sein«, meinte der Baumeister.
    »Das ist möglich«, erwiderte Bertram beiläufig und lenkte die Aufmerksamkeit sofort auf eine andere Bergspitze, die viel harmloser aussähe und an die er sich doch noch niemals herangewagt habe. Er wisse eben ganz genau, wieviel er sich zutrauen dürfe; sei durchaus nicht tollkühn und habe gegen den Tod Erhebliches einzuwenden. Das Wort Tod sprach er ganz leichthin aus, wie ein Fachmann, der es verschmäht, vor einem Laienkreis groß zu tun.
    Beate hatte sich auf den schottischen Plaid hingestreckt und sah zum mattblauen Himmel auf, an dem dünne weiße Sommerwolken hinzogen. Sie wußte, daß Doktor Bertram nur für sie sprach und daß er ihr all seine interessanten Eigenschaften, Stolz und Bescheidenheit, Todesverachtung und Lebensdrang gewissermaßen zur gefälligen Auswahl vorlegte. Aber es wirkte nicht im geringsten auf sie.
    Die jüngsten Teilnehmer der Partie, Fritz und Hugo, hatten in ihren Rucksäcken den Proviant mitgebracht. Leonie war ihnen beim Auspacken behilflich, auch strich sie dann die Butterbrote, damenhaft und mütterlich, nicht ohne vorher die gelben Handschuhe abgestreift und in ihren braunen Ledergürtel gesteckt zu haben. Der Baumeister entkorkte die Flaschen, Doktor Bertram schenkte ein, reichte den Damen die gefüllten Gläser und sah an Beate vorbei mit absichtlicher Zerstreutheit nach dem unbezwingbaren Gipfel jenseits des Sees. Und alle fanden es köstlich, wie sie da oben, vom Bergwind umweht, sich an belegten Butterbroten und herbem Terlaner erlaben durften. Den Schluß des Mahles bildete eine Torte, die Frau Direktor Welponer heute früh zu Beate gesandt hatte, zugleich mit der Entschuldigung, daß sie und die Ihrigen nun leider an dem Ausflug doch nicht teilnehmen könnten, auf den sie sich schon so sehr gefreut hatten. Die Absage war nicht unerwartet gekommen. Die Familie Welponer aus ihrem Park hervorzulocken, das wurde allmählich zum Problem, wie Leonie behauptete. Der Baumeister brachte in Erinnerung, daß die verehrten Anwesenden sich auf ihre Unternehmungslust am Ende auch nicht viel einbilden müßten. Wie verbrachte man denn die schöne Sommerszeit? Man lahndelte, wie er sich ausdrückte, auf den Waldwegen herum, badete im See, spielte Tennis und Tarock; aber wie vieler Vorbesprechungen und Vorbereitungen hatte es bedurft, bis man sich nur endlich entschlossen hatte, wieder einmal nach langer Zeit die Almwiese zu erklimmen, was doch wirklich nur als Spaziergang gelten konnte!
    Beate dachte bei sich, daß sie selbst nur ein einziges Mal hier oben gewesen war, –

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