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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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stimmen kann ... weil sie sich immer jung fühlen. So einer war Ferdinand.« Beate hörte dem Direktor gespannt, aber mit innerem Widerstand zu. Es drängte sich ihr auf, daß er Ferdinands Schatten mit Absicht heraufbeschwor, als wäre er bestellt, über ihre Treue zu wachen und sie vor einer nahenden Gefahr zu warnen und zu behüten. Wahrhaftig, die Mühe konnte er sich sparen. Was gab ihm das Recht, was den Anlaß, sich in solcher Weise zum Anwalt und Schützer von Ferdinands Andenken aufzuwerfen? Was in ihrem Wesen forderte zu so verletzender Mißdeutung heraus? Wenn sie heute mit den Heitern mitzuscherzen und mitzulachen vermochte und lichte Farben trug wie früher einmal, so konnte doch darin kein Unbefangener anderes erblicken als den bescheidenen Zoll, den sie dem allgemeinen Gesetz des Weiter- und Mitlebens darzubringen schuldig war. Aber jemals Glück oder Lust zu empfinden, jemals wieder einem Manne anzugehören, an eine solche Möglichkeit konnte sie auch heute nicht ohne Widerwillen, ja ohne Grauen denken; und dieses Grauen, sie wußte es von mancher schlaflos einsamen Nacht her, durchwühlte sie nur tiefer, wenn unbestimmte Regungen der Sehnsucht durch ihr Blut rauschten und ziellos vergingen. Und wieder sah sie den Direktor, der nun schweigend an ihrer Seite einherging, flüchtig an, aber erschreckt beinahe spürte sie um ihre Lippen ein Lächeln, das aus dem Grunde ihrer Seele gekommen war, ohne daß sie es gerufen, und das untrüglich, beinahe schamlos, deutlicher als alle Worte, sprach: Ich weiß, daß du mich begehrst, und ich freue mich daran. Sie sah in seinen Augen ein Aufblitzen, wie eine heiße Frage, gleich darauf aber ein Sichbescheiden und Trübewerden. Und er richtete ein gleichgültig höfliches Wort an Frau Arbesbacher, die nur zwei Schritte vor ihnen ging, da die kleine Wandergruppe nun, da man dem Ziele sich näherte, allmählich wieder ineinandergeflossen war. Plötzlich war der junge Doktor Bertram an Beatens Seite und legte etwas in Haltung, Blick und Rede, als hätten sich auf diesem Ausflug die Beziehungen zwischen ihm und Beate enger geknüpft, und dies Ergebnis zu seinen Gunsten müßte auch von ihr empfunden und festgestellt werden. Sie aber blieb kühl und fremd, wurde fremder von Schritt zu Schritt. Und als man vor dem Gartentor der Welponerschen Villa angelangt war, erklärte sie zum allgemeinen und ein wenig auch zu ihrer eigenen Überraschung, daß sie müde sei und es vorziehe, sich nach Hause zu begeben. Man versuchte sie umzustimmen. Da aber der Direktor selbst nur ein trockenes Bedauern äußerte, drang man in sie nicht weiter. Sie ließ es dahingestellt, ob sie sich zu dem gemeinsamen Abendessen im Seehotel einfinden werde, das auf dem Wege verabredet worden war, hatte aber nichts dagegen, daß Hugo in jedem Falle daran teilnehme. »Ich werd' schon Obacht geben,« sagte der Baumeister, »daß er sich keinen Rausch antrinkt.« Beate empfahl sich. Ein Gefühl großer Erleichterung kam über sie, als sie nun den Weg nach Hause einschlug, und sie freute sich auf die paar ungestörten Stunden, die ihr gewiß waren. Daheim fand sie einen Brief von Doktor Teichmann und verspürte ein leichtes Staunen, weniger darüber, daß der wieder ein Lebenszeichen von sich gab, als vielmehr, daß sie ihn im Laufe der letzten Zeit fast bis auf die Tatsache seiner Existenz vergessen hatte. Erst nachdem sie sich vom Staub des Tages befreit und im bequemen Hauskleid vor dem Toilettetischchen in ihrem Schlafzimmer saß, öffnete sie den Brief, auf dessen Inhalt sie durchaus nicht neugierig war. Am Beginn standen wie meistens Mitteilungen geschäftlicher Natur, denn Teichmann legte Beate gegenüber Wert darauf, vor allem als ihr Rechtsanwalt zu gelten, und mit etwas gewundenem Humor erstattete er Bericht über den Verlauf eines kleinen Prozesses, in dem es ihm gelungen war, für Beate eine unbedeutende Geldsumme zu retten. Am Schluß erwähnte er in absichtlich beiläufigem Tone, daß ihn seine Ferienwanderung auch an der Villa am Eichwiesenweg vorbeiführen werde, und wollte der Hoffnung sich nicht gänzlich verschließen, wie er schrieb, daß ihm durchs Gesträuch ein helles Kleid oder gar ein freundliches Auge entgegenleuchten und ihn zum Verweilen einladen könnte, wäre es auch nur zu einer Plauderstunde zwischen Tür und Angel. Er vergaß auch nicht Grüße beizufügen »an den biedern Baumeister und den gebieterischen Schloßherrn samt wertem Anhang«, wie er sich ausdrückte, und an

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