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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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wieder aufhört es zu sein – daß dies erbärmliche Geschwätz, was ihre und seine Seligkeit gewesen, in Schmutz und Lüge wandelt. Und diesem da hatte sie gehört. Diesem als ersten, seit sie frei war, sich gegeben. Ihre Zähne schlugen zusammen, ihre Wangen, ihre Stirne brannten, ihre Knie wetzten sich am Boden wund. Plötzlich fuhr sie zurück. Das Haus wollte Rudi Beratoner sehen? Und wie das käme, daß die Leute schon abgereist seien mitten im schönsten Sommer? »Aber kein Wort glaub' ich dir von der ganzen Geschichte. Advokatengattin? Lächerlich. Soll ich dir sagen, wer's ist?« Sie lauscht mit den Ohren, mit dem Herzen, mit allen Sinnen. Aber es kommt kein Wort. Doch ohne zu sehen weiß sie, daß Beratoner mit den Augen nach dem Hause deutet; ja, gerade nach dem Fenster, hinter dem sie kniet. Und nun Fritzens Antwort. »Was fällt denn dir ein? Du bist ja verrückt.« Darauf der andere: »Aber red' nichts. Ich hab's ja schon neulich gemerkt. Gratuliere. Ja, so bequem hat's nicht ein jeder. Ja, die – Aber wenn ich wollt –« Beate wollte nichts mehr hören. Sie wußte selbst nicht, wie ihr das gelang. Vielleicht war es das Sausen des Blutes in ihrem Hirn, das Beratoners letzte Worte übertönt hatte. Eine ganze Weile ging das Sprechen draußen in diesem Sausen unter, bis sie wieder Fritzens Worte zu verstehen vermochte: »Aber so schweig doch. Wenn sie am End zu Haus ist.« Spät fällt dir das ein, mein süßer Bub. »Na, und wenn schon«, sagte Beratoner laut und frech. Dann flüsterte wieder Fritz rasch und aufgeregt, und plötzlich hörte Beate, wie beide draußen sich von der Bank erhoben. Um Himmelswillen, was nun? Sie warf sich der Länge nach auf den Boden, so daß es unmöglich gewesen wäre, sie von draußen durch eine Spalte zu erspähen. Schatten schienen an den Läden vorbeizustreifen, Tritte knirschten über den Kies, ein paar gedämpfte Worte tönten, dann ein leises Lachen, schon ferner, und dann nichts mehr. Sie wartete. Nichts regte sich. Dann hörte sie wieder die Stimmen weiter draußen im Garten, verhallend, dann nichts, lange nichts, bis sie überzeugt sein durfte, daß die beiden fort waren. Sie mochten wohl über den Zaun geklettert sein, so wie sie hereingekommen waren, und erzählten einander ihre Geschichten draußen weiter. Blieb denn noch etwas zu erzählen übrig? Hatte Fritz irgend etwas vergessen? Nun, das holte er jetzt wohl nach. Und nach seiner kostbaren Art wird er wohl noch etliches dazu erfinden, um Rudi Beratoner recht zu imponieren. Warum nicht? Ja, das ist das lustige Jugendleben. Der eine hat die Gouvernante von seiner Schwester, der andere die Mutter von seinem Schulkameraden und der dritte eine Baronin, die früher beim Theater war. Ja, sie durften schon mitreden, die jungen Herren; sie kannten die Weiber und durften kühn behaupten, daß eine war wie die andere. Und Beate wimmerte lautlos in sich hinein. Noch immer lag sie der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden. Wozu aufstehen? Wozu gleich aufstehen? Wenn sie sich dazu entschloß, konnte es ja doch nur sein, um ein Ende zu machen. Fritz noch einmal begegnen und dem andern –?! Sie hätte ihnen ja ins Gesicht spucken müssen, mit den Fäusten ihnen ins Gesicht schlagen. Aber wäre das nicht Erlösung, Wollust, – ihnen nachstürzen, ihnen ins Antlitz schreien: Ihr Buben, ihr Schufte, schämt ihr euch nicht, schämt ihr euch nicht? ... Aber zugleich weiß sie, daß sie es nicht tun wird. Sie fühlt, daß es nicht einmal der Mühe wert wäre, da sie doch entschlossen ist und entschlossen sein muß, einen Weg zu gehen, auf dem kein Schimpf und kein Hohn ihr zu folgen vermag. Nie wieder, nie kann sie, die Geschändete, irgendeinem Menschen vor Augen treten. Eines nunmehr hat sie auf Erden zu tun: von dem Einzigen Abschied zu nehmen, der ihr teuer ist – von ihrem Sohn! Von ihm allein. Aber natürlich ohne daß er es merkt. Nur sie wird es wissen, daß sie ihn für alle Ewigkeit verläßt, daß sie zum letztenmal die geliebte Kinderstirne küßt. Wie seltsam war es doch, solche Dinge zu denken, auf den Boden hingestreckt, regungslos. Träte jetzt irgendwer plötzlich ins Zimmer, er müßte mich unfehlbar für tot halten. Wo wird man mich finden? dachte sie weiter. Wie werd ich's vollbringen? Wie werd ich dahingelangen, daß ich fühllos daliege, um niemals wieder zu erwachen?
    Ein Geräusch im Vorzimmer machte sie erzittern. Hugo war nach Hause gekommen. Sie hörte ihn draußen auf dem Gang an ihrer Tür

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