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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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die Gouvernante zu ihm. Und dann, und dann ...? Beate will es nicht hören, und doch lauscht sie weiter und weiter mit wachsender Begier. Welche Worte! Welcher Ton! So sprachen diese Burschen von ihren Geliebten! Nein, nein, nicht alle und nicht von allen. Was mußte das für ein Frauenzimmer sein! Sie verdiente es wohl, daß man so von ihr sprach und nicht anders. Warum denn verdiente sie's? Was hatte sie denn am Ende verbrochen? Es wurde ja auch nur abscheulich, wenn man davon sprach. Wenn Rudi Beratoner sie in den Armen hielt, war er gewiß zärtlich und hatte holde Liebesworte für sie, – wie sie alle haben in diesen Augenblicken. Wenn sie nur Fritzens Gesicht hätte sehen können. Oh, sie konnte sich's vorstellen. Seine Wangen brannten, und seine Augen glühten ... Nun wurde es für eine Weile ganz still. Die Geschichte war offenbar aus. Und plötzlich hörte sie Fritzens Stimme. Er fragt. Wie, so genau mußt du alles wissen? Ein dumpfes Gefühl von Eifersucht regt sich in Beate. Wie – auch darauf willst du antworten? Ja, Rudi Beratoner spricht. So rede doch wenigstens lauter. Ich will hören, was du sagst, du Schuft, der du meinen Gatten im Grab beleidigt hast und nun deine Geliebte erniedrigst und beschimpfst. Lauter! O Gott, es war laut genug. Er erzählte nicht mehr. Er fragte. Er wollte wissen, ob Fritz hier im Ort – ja, du Schuft, schwelge nur in deinen gemeinen Worten. Es wird dir nichts helfen. Du wirst nichts erfahren. Fritz ist fast noch ein Knabe, aber er ist ritterlicher als du. Er weiß, was er einer anständigen Frau schuldet, die ihm ihre Gunst geschenkt hat. Nicht wahr, Fritz, mein süßer Fritz, du wirst nichts reden? Was zwang sie nur auf den Boden fest, so daß sie nicht aufstehen konnte, hinauseilen, und der schändlichen Unterhaltung ein Ende machen? Aber was hätte es auch geholfen? Rudi Beratoner war der Mann nicht, sich so leicht zufrieden zu geben. Wenn ihm heute seine Antwort nicht wird, nicht in dieser Stunde, so wird er in einer nächsten die Frage wiederholen. Es ist schon das beste, hier zu bleiben und weiter zu lauschen, da weiß man wenigstens, woran man ist. Warum so leise, Fritz? Sprich nur. Warum sollst du dich deines Glücks nicht rühmen? Eine anständige Frau wie ich ... das ist doch etwas anderes als eine Gouvernante. Beratener spricht lauter. Ganz deutlich hört Beate ihn nun sagen: »Da mußt du ein rechter Tepp sein.« Ah, laß dich nur für einen Teppen halten, Fritz. Nimm es auf dich. Wie, du glaubst es ihm nicht, du Schuft? Du willst ihm durchaus sein Geheimnis entlocken? Ahnst du am Ende? Hat dir schon wer anderer was gesagt? Und wieder hört sie Fritz flüstern, doch es ist ihr ganz unmöglich, die Worte zu verstehen. Nun wieder Beratoners Stimme, tief und roh: »Was, eine verheiratete Frau? Aber geh. Wird wahrscheinlich grad so sein –« Willst du nicht schweigen, Schuft! Sie fühlt, daß sie in ihrem Leben noch keinen Menschen so gehaßt hat wie diesen jungen Burschen, der sie beschimpft ohne zu wissen, daß sie es ist, die er beschimpft. Wie, Fritz? Um Himmelswillen lauter! »Schon abgereist.« Wie? Ich bin schon abgereist? Ah, vortrefflich, Fritz, du willst mich vor schmählichem Verdacht bewahren. Sie lauscht. Sie saugt seine Worte ein. »Eine Villa am See ... Der Mann ist Advokat.« Nein, was für ein Schwindler! Wie köstlich er lügt. Sie hätte sich geradezu unterhalten können, wenn nicht die Angst in ihr gewühlt hätte. Wie? der Mann ist furchtbar eifersüchtig? Er hat ihr gedroht sie umzubringen, wenn er ihr je auf etwas käme? Wie? Heute bis vier Uhr früh ... Jede Nacht ... Jede ... Nacht ... Genug, genug, genug! Willst du nicht endlich schweigen? Schämst du dich nicht? Warum beschmutzt du mich so? Wenn dein sauberer Freund es auch nicht weiß, daß ich es bin, von der du sprichst,
du
weißt es doch. Warum lügst du nicht lieber! Genug! genug! Und sie möchte sich die Ohren zuhalten; aber statt es zu tun, lauscht sie nur um so angestrengter. Keine Silbe mehr entgeht ihr, und verzweifelt hört sie von ihres süßen Buben Lippen die ausführliche Schilderung der seligen Nächte, die er in ihren Armen verbracht hat, hört sie in Worten, die auf sie niedersausen wie Peitschenhiebe, in Ausdrücken, die sie zum erstenmal vernimmt und die ihr doch, rasch verstanden, blutige Scham in die Stirne treiben. Sie weiß, daß alles, was Fritz da draußen im Garten erzählt, nichts anderes ist als die Wahrheit, und fühlt zugleich, daß diese Wahrheit schon

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