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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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einemmal? Warum? Weil sie nicht anders, nicht besser gewesen war als er! War es denn Ferdinand gewesen, den sie in ihren Armen hielt, der Komödiant mit der roten Nelke, der oft genug erst um drei Uhr morgens, nach Weine riechend, aus der Kneipe nach Hause kam? Der großrednerisch mit trüben Augen leere und unsaubere Dinge schwatzte? Der als junger Mensch von Gnaden einer alternden Witwe seine vornehmen Passionen bestritten und in lustiger Gesellschaft zärtliche Briefchen vorgelesen hatte, die ihm verliebte Närrinnen in die Garderobe sandten? Nein, den hatte sie niemals geliebt. Dem wäre sie ja davongelaufen im ersten Monat ihrer Ehe. Der, den sie liebte, war nicht Ferdinand Heinold gewesen; Hamlet war es, und Cyrano und der königliche Richard und der und jener, Helden und Verbrecher, Sieger und Todgeweihte, Gesegnete und Gezeichnete. Und auch der unheimlich Glühende, der einst in verhangener Sommernacht aus dem verschwiegenen Dämmer des Ehgemachs sie mit sich in den Garten gelockt zu unsäglichen Wonnen, das war nicht er gewesen, sondern irgendein geheimnisvoll-gewaltiger Geist aus den Bergen, den er spielte, ohne es zu wissen – spielen mußte, weil er ohne Maske nicht zu leben vermochte, weil ihn davor geschauert hätte, im Spiegel ihres Auges je sein wahres Gesicht zu erblicken. So hatte sie ihn immer betrogen, wie er sie, – hatte stets, eine Verlorene von Anbeginn, ein Dasein phantastischwilder Lust geführt; nur daß es niemand hatte ahnen können, nicht einmal sie selbst. – Jetzt aber war es offenbar geworden. Immer tiefer zu gleiten war sie bestimmt, und eines Tages, wer weiß wie bald, wird es der ganzen Welt klar sein, daß ihre ganze bürgerliche Wohlanständigkeit eine Lüge war, daß sie um nichts besser ist als Fortunata, Wilhelmine Fallehn und all die andern, die sie bis heute verachtet hat. Und auch ihr Sohn wird es wissen; und wenn er die Sache mit Fritz nicht glaubt, so wird er eine nächste glauben und glauben müssen; – und plötzlich sieht sie ihn leibhaftig vor sich mit schmerzlichen, weit aufgerissenen Augen, die Arme abwehrend vor sich hingestreckt; und wie sie sich ihm nähern will, wendet er in Grauen sich ab und eilt davon mit traumhaft fliegenden Schritten. Und sie stöhnt auf, mit einem Male wieder völlig wach. Hugo verlieren?! Alles, – nur das nicht. Lieber sterben, als keinen Sohn mehr haben. Sterben, ja. Denn dann hat sie ihn wieder. Dann kommt er an das Grab der Mutter und kniet nieder und schmückt es mit Blumen und faltet die Hände und betet für sie. Rührung schleicht bei diesem Gedanken, süß und widerlich, trügerisch-friedvoll in ihre Seele. Doch tief in ihr raunt es: darf ich denn ruhen? Habe ich denn nicht noch über vieles nachzudenken? Gewiß ... Morgen geht es ja auf die Reise. Morgen ... Was ist da noch alles zu tun ... So viel ... so viel ... Und in der sie umgebenden Dämmerstille fühlte sie, daß draußen Welt, Menschen und Landschaft aus dem Sommernachmittagsschlummer erwacht sein mußten. Allerlei fernes Geräusch, unbestimmbar und verwirrt, drang durch die geschlossenen Spalettläden zu ihr. Und sie wußte, daß die Leute nun schon auf Spazierwegen wandelten, in Kähnen fuhren, Tennis spielten und auf der Hotelterrasse Kaffee tranken; ja, in ihrem noch halb träumenden Zustand sah sie ein heiteres Gewimmel von Sommerleuten, in spielzeughafter Kleinheit, aber farbig-deutlich vor sich auf und nieder schweben. Das Ticken der Taschenuhr auf ihrem Nachtkästchen tönte überlaut und wie mahnend in ihr Ohr. In Beate meldete sich die Neugier zu wissen, wie spät es sei, aber noch hatte sie die Kraft nicht, ihren Kopf zu wenden oder gar Licht zu machen. Irgendein neues, näheres Geräusch, aus dem Garten offenbar, war allmählich vernehmbar geworden. Was mochte das sein? Menschenstimmen, zweifellos. So nah? Stimmen im Garten? Hugo und Fritz? Wie ist es denn möglich, daß die beiden schon zurück sind? Nun, der Abend ist nah, und Fritz war wohl von seiner Sehnsucht so bald zurückgetrieben worden. Aber Hugo? Sie hatte nicht zu hoffen gewagt, daß er vor Mitternacht von seinem sogenannten Ausflug daheim sein würde. Doch wer hat ihnen aufgetan? Hatte sie denn nicht die Türe versperrt? Und das Mädchen kann ja noch nicht zurück sein. Gewiß haben sie zuerst geklingelt, und sie hat es im Schlaf überhört. Dann sind sie wohl wieder einmal über den Zaun geklettert, und daß die Frau des Hauses daheim ist, können sie natürlich nicht ahnen. Nun lacht

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