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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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ja, er ist krank, Sie wissen es ja.«
    »Ah –«
    »Aber warum hat man's ihm denn gesagt? Und dann –«
    »Nun, nun? Aber bitte, erwecken Sie mir keine Hoffnung, wenn es keine gibt.«
    »Man kann es nie mit Sicherheit voraussehen. Das kann so lange dauern.«
    »Ich weiß ja, ein Jahr.«
    Alfred biß die Lippen zusammen. »Ja, sagen Sie, warum war er denn eigentlich bei einem anderen Arzt?«
    »Nun, weil er wußte, daß Sie ihm nie die Wahrheit sagen werden – ganz einfach.«
    »Es ist zu dumm«, fuhr der Doktor auf, »es ist zu dumm. Ich begreife das nicht! Als wenn es so dringend notwendig wäre, einen Menschen –«
    In diesem Augenblicke öffnete sich die Türe, und Felix trat ein.
    »Ich dachte es«, sagte er, als er Marie erblickte.
    »Du machst mir schöne Narrheiten«, rief der Doktor aus, »schöne Narrheiten, wirklich.«
    »Laß die Phrasen, mein lieber Alfred«, erwiderte Felix, »ich danke dir herzlich für deinen guten Willen, du hast als Freund gehandelt, du hast dich famos benommen.«
    Marie fiel hier ein. »Er sagt, daß der Professor gewiß –«
    »Laß das«, unterbrach sie Felix, »solange es ging, durftet ihr mich in dem Wahn erhalten. Von jetzt an wäre es eine abgeschmackte Komödie.«
    »Du bist ein Kind«, sagte Alfred, »es laufen viele Leute in Wien herum, denen man schon vor zwanzig Jahren das Leben abgesprochen hat.«
    »Die meisten von ihnen sind aber doch schon begraben.«
    Alfred ging im Zimmer hin und her. »Vor allem einmal, es hat sich zwischen gestern und heute nichts geändert. Du wirst dich schonen, das ist alles, du wirst mir besser folgen, als bisher, das ist das Gute daran. Erst vor acht Tagen war ein fünfzigjähriger Herr bei mir –«
    »Ich weiß schon«, fiel Felix ein. »Der gewisse fünfzigjährige Herr, der als Jüngling von zwanzig aufgegeben war und nun blühend ausschaut und acht gesunde Kinder hat.«
    »Solche Dinge kommen vor, daran ist gar nicht zu zweifeln«, warf Alfred ein.
    »Weißt du«, sagte Felix darauf, »ich gehöre nicht zu der Sorte Menschen, an denen Wunder geschehen.«
    »Wunder?« rief Alfred aus, »das sind lauter natürliche Sachen.«
    »Aber sehen Sie ihn doch nur an«, sagte Marie. »Ich finde, er schaut jetzt besser aus als im Winter.«
    »Er muß sich halt schonen«, meinte Alfred und blieb vor seinem Freund stehen. »Ihr werdet jetzt ins Gebirge reisen, und dort wird gefaulenzt, ordentlich.«
    »Wann sollen wir abreisen?« fragte Marie eifrig.
    »Ist doch alles Unsinn«, sagte Felix.
    »Und im Herbst geht ihr in den Süden.«
    »Und im nächsten Frühjahr?« fragte Felix spöttisch.
    »Bist du hoffentlich gesund«, rief Marie aus.
    »Ja, gesund«, lachte Felix, »gesund! – Keinesfalls mehr leidend.«
    »Ich sags ja immer«, rief der Doktor aus, »diese großen Kliniker sind alle zusammen keine Psychologen.«
    »Weil sie nicht einsehen, daß wir die Wahrheit nicht vertragen«, warf Felix ein.
    »Es gibt gar keine Wahrheiten, sag' ich. Der Mann hat sich gedacht, er muß dir die Hölle heiß machen, damit du nicht leichtsinnig bist. Das war so ungefähr sein Gedankengang. Wenn du trotz seiner Vorhersage gesund wirst, ist's ja doch keineswegs eine Blamage für ihn. Er hat dich ja nur gewarnt.«
    »Lassen wir die kindischen Redereien«, fiel hier Felix ein, »ich habe sehr ernst mit dem Manne gesprochen, ich hab' es ihm klar zu machen verstanden, daß ich Gewißheit haben muß. Familienverhältnisse! Das imponiert ihnen ja immer. Und ich muß es dir aufrichtig gestehen, die Ungewißheit war schon zu jämmerlich.«
    »Als wenn du jetzt Gewißheit hättest«, fuhr Alfred auf.
    »Ja, jetzt habe ich Gewißheit. Vergebliche Mühe, die du dir nun gibst. Es handelt sich jetzt nur darum, das letzte Jahr so weise als möglich zu verleben. Du wirst schon sehen, mein lieber Alfred, ich bin der Mann, der lächelnd von dieser Welt scheidet. Na, weine nicht, Miez; du ahnst gar nicht, wie schön dir diese Welt noch ohne mich vorkommen wird. Wie, Alfred, glaubst du nicht?«
    »Geh'! Du quälst ja das Mädel ganz überflüssig.«
    »Es ist wahr, es wäre vernünftiger, ein rasches Ende zu machen. Verlaß mich, Miez, geh', laß mich allein sterben!«
    »Geben Sie mir Gift«, schrie Marie plötzlich auf.
    »Ihr seid ja beide verrückt«, rief der Doktor.
    »Gift! Ich will nicht eine Sekunde länger leben als er, und er soll es glauben. Er will es mir nicht glauben. Warum denn nicht? Warum denn nicht?«
    »Du, Miez, jetzt will ich dir was sagen. Wenn du von dem

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