Erzaehlungen
Wagen herbei. »Ich bin nur froh, daß ich dich gesehen habe, lieber Felix«, sagte er dann. »Morgen früh komme ich zu dir auf einen längeren Plausch.«
»Ich bin ganz duselig«, wiederholte Felix. Alfred wollte ihm in den Wagen helfen. »Oh, so arg ist es nicht, oh nein!« Er stieg ein und reichte Marie die Hand. »Siehst du?« Marie folgte ihm.
»Also auf morgen«, sagte sie, indem sie Alfred durchs Wagenfenster die Hand zum Abschied reichte. Aus ihrem Blick sprach solche fragende Angst, daß sich Alfred zu einem Lächeln zwang. »Ja, morgen«, rief er, »ich frühstücke mit euch!« Der Wagen fuhr davon. Alfred blieb noch eine Weile mit ernster Miene stehen.
»Mein armer Freund!« flüsterte er vor sich hin.
Am nächsten Morgen kam Alfred zu sehr früher Stunde, und Marie empfing ihn bei der Türe. »Ich muß mit Ihnen sprechen«, sagte sie.
»Lassen Sie mich lieber zu ihm. Wenn ich ihn untersucht habe, wird alles, was wir zu sprechen haben, mehr Sinn haben.«
»Ich möchte Sie nur um eins bitten, Alfred! Wie immer Sie ihn finden, ich beschwöre Sie, sagen Sie ihm nichts!«
»Aber was fällt Ihnen nur ein! Na, es wird ja nicht so schlimm sein. Schläft er noch?«
»Nein, er ist wach.«
»Wie war die Nacht?«
»Er hat bis vier Uhr morgens fest geschlafen. Dann war er unruhig.«
»Lassen Sie mich zuerst allein zu ihm. Sie müssen in dieses kleine, blasse Gesicht ein bißchen Frieden bringen. So dürfen Sie mir nicht zu ihm.« Er drückte ihr lächelnd die Hand und trat allein ins Schlafzimmer.
Felix hatte die Decke bis übers Kinn gezogen und nickte seinem Freunde zu. Dieser setzte sich zu ihm aufs Bett und sagte: »Da wären wir ja wieder glücklich zu Hause. Du hast dich ja famos erholt und hoffentlich deine Melancholie in den Bergen gelassen.«
»Oh ja!« antwortete Felix, ohne die Miene zu verziehen.
»Willst du dich nicht ein bißchen aufsetzen? So frühe Besuche mach' ich nämlich nur als Arzt.«
»Bitte«, sagte Felix ganz gleichgültig.
Alfred untersuchte den Kranken, stellte einige Fragen, die kurz beantwortet wurden, und sagte schließlich: »Na, so weit können wir ja zufrieden sein.«
»Laß doch den Schwindel«, entgegnete Felix verdrossen.
»Laß du lieber deine Narrheiten. Wir wollen die Sache einmal energisch angreifen. Du mußt den Willen haben, gesund zu werden und dich nicht auf den Schicksalsergebenen hinausspielen. Das steht dir nämlich gar nicht gut.«
»Was hab' ich also zu tun?«
»Vor allem wirst du mir ein paar Tage im Bett bleiben, verstanden?«
»Hab' sowieso keine Lust zum Aufstehen.«
»Um so besser.«
Felix wurde lebhafter. »Eins nur möcht' ich wissen. Was das eigentlich gestern mit mir war. Im Ernst, Alfred, das mußt du mir erklären. Wie ein dumpfer Traum ist mir alles. Die Fahrt in der Bahn und die Ankunft, wie ich da herauf und ins Bett gekommen bin –«
»Was ist denn daran zu erklären? Ein Riese bist du nun einmal nicht, und wenn man übermüdet ist, kann einem das schon passieren!«
»Nein, Alfred. So eine Mattigkeit wie die gestrige ist mir etwas ganz Neues. Heut bin ich ja auch noch müde. Aber ich habe die Klarheit des Denkens wieder. Gestern war es gar nicht so unangenehm, aber die Erinnerung daran ist mir entsetzlich. Wenn ich daran denke, daß wieder so etwas über mich kommen könnte –!«
In diesem Augenblick trat Marie ins Zimmer.
»Bedanke dich bei Alfred«, sagte Felix. »Er ernennt dich zur Krankenwärterin. Ich muß von heute an liegen bleiben und habe die Ehre, dir hiermit mein Sterbebett vorzustellen.«
Marie machte ein entsetztes Gesicht.
»Lassen Sie sich von diesem Narren nicht den Kopf verdrehen«, sagte Alfred. »Er hat einige Tage liegen zu bleiben, und Sie werden so gut sein, auf ihn acht zu geben.«
»Ach, hättest du eine Ahnung, Alfred«, rief Felix mit ironisierender Begeisterung, »was ich für einen Engel an meiner Seite habe.«
Alfred gab nun weitläufige Vorschriften über die Art und Weise, wie sich Felix zu pflegen und zu verhalten habe, und sagte endlich: »Ich erkläre dir hiermit, mein lieber Felix, daß ich dir nur jeden zweiten Tag meinen ärztlichen Besuch machen werde. Mehr ist nicht vonnöten. An den anderen Tagen wird über deinen Zustand kein Wort gesprochen. Da komme ich, um mit dir zu plaudern, wie ich's gewohnt bin.«
»Ach Gott«, rief Felix, »was ist der Mann für ein Psycholog. Aber hebe dir diese Mätzchen für deine anderen Patienten auf, besonders diese ganz primitiven.«
»Mein
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