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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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nun wieder ins Theater zurück sollten zu einem lustigen Stück, und sie fanden darin wieder einmal einen Beweis dafür, was das Leben für ein seltsames und widerspruchsvolles Ding wäre. Und langsam gingen sie. Die Türe gegen die Straße zu war weit offen. Spaziergänger, die die Unruhe und Bewegung in dem Gange bemerkt hatten, blieben davor stehen. Die weiche Luft des Frühlingsabends zog herein. Die Direktorin wandte sich an die Umstehenden aus dem Publikum. »Man braucht es im Hause nicht zu erfahren, nicht wahr?« meinte sie.
    Nein, nein, sie würden nichts sagen.
    »Hat er Familie?« fragte der Doktor.
    »Nein«, erwiderte die Direktorin, »es ist ja der Wendelmayer.«
    »Ach, richtig, der Wendelmayer«, sagte der Doktor mit einem ganz beruhigten Ausdrucke, als wenn er hätte sagen wollen, »die Wendelmayers mögen nur ruhig sterben, das tut nichts«. Und er stand auf und hing die Öllampe wieder an die Wand. Zwei Arbeiter waren gekommen, draußen stand die Bahre bereit, und sie hoben den Toten auf, um ihn darauf zu legen.
    Im Theater war es ruhiger geworden. Die Musik spielte. Man erwartete den Anfang des zweiten Aktes. Die Herren, welche den Toten gesehen hatten, waren gefaßt und würdig, und wenn man sie nach dem Befinden des Musikanten fragte, so antworteten sie ernst und beruhigend. Eben ging der Vorhang auf, als die Türe der fürstlichen Loge geöffnet wurde und man einen Lakaien eintreten sah. Der Fürst wandte sich zu ihm um. »Der Musikant befindet sich wohl, Hoheit«, sagte der Bediente.
    Der Fürst sah wieder hinunter ins Publikum, aus dem einige Köpfe sich zu ihm wandten. Er glaubte eine Frage darin zu lesen und nickte freundlich Antwort. Er teilte seinem getreuen Volke durch ein beruhigendes Lächeln mit, daß sich der Flötenspieler Florian Wendelmayer vollkommen wohl befinde.

Arthur Schnitzler
Mein Freund Ypsilon
Aus den Papieren eines Arztes

Wenn am irgendein Menschenschicksal das Wort »Tragikomödie« passen mag, so ist es sicherlich das Schicksal meines nun verstorbenen Freundes Ypsilon, auf dessen Grab ich gestern wieder einen Kranz gelegt habe, einen Kranz aus Immortellen, in den ich auch etwelchen Lorbeer einflechten ließ. Denn meiner Ansicht nach hat kaum jemals ein Dichter ihn so sehr verdient als mein Freund Ypsilon – nicht wegen seines Genies, das kaum gegen alle Anfechtungen der Kritik sich hätte gefeit erweisen können, sondern wegen der großartigen Weise, in der ihm seine Kunst zu Herzen ging. Nimmer habe ich seinesgleichen gesehen, und mancher von den großen Poeten, die von der Mitwelt hoch gepriesen werden, könnte wohl hinausgehen auf den Währinger Friedhof und ein stilles Gebet verrichten an dem kleinen Kreuze, so die Inschrift trägt:

    HIER RUHET IN GOTT
    MARTIN BRAND

    Martin Brand, so hieß er mit seinem wahren Namen. Möge man sich nur nicht wundern, daß dieser Name, dessen Andenken ich so sehr verehre, keine besonderen Erfolge aufzuweisen hatte. Seine Gedichte, deren einige allerdings, mit »Y« unterzeichnet, in einem kleinen Salzburger oder Grazer Blättchen veröffentlicht wurden, ragten nicht sonderlich hervor, und auch bei mir, an den sich der Studiosus philologiae – dies war Herr Martin Brand im bürgerlichen Leben – zuweilen mit seinen geschriebenen Phantasien wandte, vermochte er selten eine wahrhaftige Aufmunterung oder Anerkennung zu finden.
    Aber wie die meisten jungen Dichter gab er wenig auf das Urteil derjenigen, denen seine Schreibereien nicht gefielen, und fühlte sich bei seiner Muse, die unsichtbar ihm stets zur Seite wandelte, so unendlich wohl, daß er bis zu einer gewissen Zeit zu den glücklichsten Menschen gehörte, die mir jemals begegnet sind. Allerdings war er manchmal trübselig; doch sicherlich nie wegen irgendeines mißlichen Zufalles, der ihm in dem verächtlichen Alltagsleben zugestoßen war, sondern nur, wenn sein Sinn sich mit einem recht traurigen Thema befaßte: wenn er an einem Drama arbeitete, in dem Königinnen an gebrochenen Herzen und Prinzen an einem gespaltenen Schädel starben, oder wenn er ein Märchen schrieb, in dem eine böse Fee aus angeborener Bosheit das Glück zweier braver Menschenkinder zu vernichten drohte. Dagegen war er wieder unbändig heiter, wenn er den Frühling besang oder eine Ballnacht, in welcher eine schöne Maske einen als reichen Nubier verkleideten Kunstakademiker auf den Mund küßt und nachher sagt: »Ja, du bist's, und keiner soll dich mir rauben!«
    Hier aber, das steht unbestritten

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