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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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Es war ganz seltsam lärmend heute, so schien es wenigstens dem Florian Wendelmayer. Es war auch heißer als sonst, und als er einen Ton auf der Flöte ziemlich lang aushalten mußte, schwindelte ihm ein wenig. Er setzte wieder ein ... wie merkwürdig, die Hände wurden ihm so schwer. Er blies weiter. Wieder überkam ihn ein Schwindel. Es wurde dunkler im Hause ... es schwankte ... die Lichter verlöschten. Die Flöte entfiel Florians Händen. Welch ein Lärm. Das Haus stürzt ein! Und Florian wollte aufstehen, sich retten, – er sah nichts mehr. Die Füße waren ihm schwer. Er konnte sich nicht rühren. Und da stürzte er vom Sessel herunter vor das Pult hin, und der Sessel fiel nach rückwärts. Es klang dumpf. Die Musikanten wandten sich hin. Der Nachbar Florians sprang erschrocken auf. Im Publikum merkte man die Unruhe, erhob sich von den Sitzen. Der Fürst in seiner Loge beugte sich über die Logenbrüstung, aber der Kapellmeister, dem der Schweiß auf der Stirne stand, hob und senkte den Taktstock und sagte ziemlich vernehmlich: »Weiterspielen!« – »Was ist's, was ist's?« fragten die Leute, und die Direktorin stürzte von der Bühne zur Türe des Orchesters heraus. Man wußte es schon. Einem Flötisten war unwohl geworden. Der Kapellmeister schlug noch immer Takt, aber man spielte nicht mehr. Aller Augen richteten sich nach der Türe des Orchesters. Zwei Theaterdiener waren dort zu sehen, und zwischen Trommler und Posaunisten schritten sie zu dem Platze hin, wo Florian Wendelmayer lag. Sie hoben ihn auf, er hatte die Augen halb offen, seine Unterlippe hing schlaff herab. Sie nahmen ihn bei den Armen, legten ihn auf ihre Schultern, faßten ihn um den Rücken und schleppten ihn so hinaus. Man konnte im Zuschauerraum glauben, er ginge selbst. »Was ist's, was gibt's?« flüsterte man im Publikum. »Es ist nichts, nein, nein, wirklich nichts, ein Musikant ist unwohl, er kann ja selbst gehen.« Und kaum hatte sich die Orchestertüre geschlossen, so tat der Kapellmeister zwei Schläge auf das Pult, und die Musik begann zu spielen. Der andere Flötist hob Florians Stuhl auf und legte die Flöte des Kollegen darauf. Die Zuschauer aber wollten sich noch nicht beruhigen. Hinter der Orchestertüre stand die Direktorin. »Gerade heute«, rief sie aus, »gerade heute der Lärm, wenn Seine Durchlaucht zugegen ist! Hat er denn nicht selber gehen können?«
    Die zwei Männer legten den Flötenspieler in dem schmalen Gange, der zur Straße führte, auf den Boden und blieben ruhig stehen. »Der Schlag hat ihn getroffen«, sagte der eine. Die Frau Direktorin betrachtete den Sterbenden. Bis hierher hörte man das Murmeln des Publikums. Jetzt kamen auch einige Herren herzu, fragten, erkundigten sich sehr besorgt. »Ach«, meinte die Frau Direktorin, »es ist nichts, ich bitte recht sehr, sich nicht weiter zu bemühen, es ist wirklich nichts. Er schlägt schon die Augen auf. Das Nötige ist schon veranlaßt. Ist der Doktor verständigt?«
    »Der Müller ist um ihn gegangen«, erwiderte ein Arbeiter.
    Nun kamen auch Leute von der Straße herein. Die Direktorin war verzweifelt. »Ich bitte recht sehr, kein Aufsehen zu machen, es ist ja nichts geschehen. Ich bitte die Herrschaften, sich zu entfernen. Wo nur der Doktor bleibt?«
    Eben kam er. Man machte ihm Platz. »Aber was ist denn das«, sagte er, »man legt doch einen Kranken nicht auf den Fußboden, das ist ja unglaublich. Trage holen, rasch.«
    »Trage holen«, wiederholte die Direktorin.
    Der Doktor beugte sich zu dem Flötisten nieder und fühlte ihm den Puls. Es war ganz still in dem Raum, und vom Zuschauerraum drang ein dumpfes Gemurmel her.
    »Ich bitte um Licht«, sagte der Doktor, »ich sehe nichts.«
    Ein Herr nahm das Öllämpchen von der Wand. Ein schwacher Schein fiel auf das Antlitz Florian Wendelmayers. Der Doktor betrachtete es aufmerksam, indem er noch immer den Puls hielt. »Der Mann ist ja tot«, rief er aus. Während alle erschrocken dastanden, trat ein Lakai ein. »Seine Durchlaucht geruhen sich zu erkundigen«, sagte er, »wie sich der erkrankte Musikant befindet.«
    »Bitte sehr, Seiner Durchlaucht ehrfurchtsvollen Dank zu melden«, entgegnete die Direktorin mit etwas gepreßter Stimme, »dem Musikanten geht es schon besser.« Der Lakai ging ab. Und nun dankte sie für die freundliche Teilnahme und bat höflichst, sich aus dem engen Gang, wo es ja ohnehin so unbequem sei, zu entfernen. Die Herren aus dem Publikum waren bewegt. Es war so seltsam, daß sie

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