Erzaehlungen
drin auf und ab laufen. Ich geb' der Lina meinen Mantel und schick' sie um Zigaretten, weil mir meine ausgegangen sind, und gehe wieder zum Emil hinein, weil's mir schließlich zu dumm war. »Lieber Emil«, sage ich, »das vertrag 'ich nicht. Wenn's dir nicht recht ist, daß ich spazierenfahr', so sag's grad heraus, liegt mir sowieso nichts daran. Im übrigen, wenn du mir schreibst, daß du nicht kommst, so hab' ich ja nicht die Verpflichtung, mich ins Zimmer einzusperren und Trübsal zu blasen. Da schauet' ich gut aus, jetzt, wo ich das dreimal in der Woche erleben kann«, und so weiter. – Jetzt fängt er plötzlich zu reden an, bleibt mitten im Zimmer stehen und kreuzt die Hände hinterm Überzieher, so daß das Spazierstaberl über seinem Kopf in die Luft schaut. »Du hast recht«, sagt er, »es kann nicht so weitergehen, und ich kann es wirklich nicht über mich nehmen, von dir zu verlangen, daß du drei Tage in jeder Woche allein zu Hause bleibst; ich sehe das ein!«
Aha, denk' ich mir und frag': »Also, was willst du, und warum schneid'st du ein Gesicht, und warum kommst du, wenn du mir abschreibst, und warum schreibst du mir ab, wenn du dann doch kommst?« Darauf sagt er: »Es war eine Zeit, Pepi, wo du sehr glücklich warst, wenn ich unerwartet gekommen bin – das ist nun freilich vorbei.« – Ich mach' drauf einen Schnabel. – Er setzt fort: »Das ist der Lauf der Welt, ich merke es schon lange, und wenn ich nicht wüßte, daß es dich sehr wenig kränkt, würde ich dir wahrscheinlich seltener absagen. Aber ich vermute, daß du mich nicht allzuschwer entbehrst.« – So ungefähr war's, und ich weiß nur, daß ich darauf gesagt hab': »Nachlaufen werd' ich dir nicht.« – »Das verlange ich auch nicht«, meinte er, »im Gegenteil.« – Nun war's eigentlich beinah heraus, und ich sage: »Im Gegenteil? Das heißt wohl, es ist dir recht angenehm, daß ich dir nicht nachlaufe?« – Jetzt macht er eine ungeduldige Bewegung und stellt sich zum Fenster hin, mit dem Rücken zu mir. Dann murmelt er: »Verdreh mir doch nicht die Wörter im Mund.« Auf das hin stell' ich mich ruhig zu ihm und sage: »Ach, sag's lieber grad heraus, was du mir mitzuteilen hast – es hat ja sicher seinen Grund, daß du mir zuerst abschreibst, dann doch heraufkommst und jetzt so zuwider bist!« Wie ich so neben ihm steh', nimmt er plötzlich meinen Kopf zwischen die Hände und küßt mich auf die Stirn; alles beim Fenster, aber die Rouletten waren zu. Er küßt mich einmal und noch einmal und wieder und schließlich sehr, sehr lang. Ich rühr' mich nicht, laß es ruhig geschehen und sag' nur leise, während er mich noch immer küßt: »Du kommst heute, mir adieu sagen?« Da läßt er mich los. »Was ist das für eine Idee«, fragt er mit einem gezwungenen Lächeln. Ich nehme seine beiden Hände und sage: »So sei doch froh, daß ich dir's so leicht mache. Du hättest es nicht bald so gut treffen können!« – »Ja, freilich«, platzt er heraus, »weil du selber froh darüber bist, und weil du mich selber los sein möchtest.« Und jetzt fängt er an, mir Vorwürfe zu machen, wie er schon lang merkt, daß ich ihn eigentlich nicht lieb hab', und meine Zärtlichkeit ist eine Komödie, und was weiß ich noch! Und es hätte nicht so kommen müssen, durchaus nicht, aber ein Mann merkt das schon, und es ist schließlich kein Wunder, wenn man dann noch von anderer Seite gedrängt wird, daß man sich nach einer wahren Liebe sehnt, und so fort. – Ich war in einer Tour die Ruhige. »Du hast ja ganz recht«, sag' ich, »aber ich glaube nicht, daß ich die Schuld trage, und wahrscheinlich hast du sie auch nicht, sondern es hat ja schließlich so kommen müssen, und das liegt in den Verhältnissen. Ich kann dir nur sagen, daß ich dich immer sehr lieb gehabt hab' und dir wünsche, daß du ein Wesen findest, das dich so lieb hat, wie ich dich gehabt hab', und das dich glücklich macht« – und so weiter, was man in solchen Fällen sagt, aber ich hab' in dem Moment gespürt, daß ich ihn wirklich sehr gern gehabt hab' und daß so ein Abschied immer was Rührendes hat, auch wenn man sich schon lange darauf freut. Dann haben wir uns auf den Diwan gesetzt, und er zieht endlich den Überzieher aus, und wir kommen so recht ins Plaudern. Und ich erzähle ihm, wie ich ihm treu gewesen bin die ganzen zwei Jahr', und wie schön es überhaupt war, und er sagt, er wird mir sein Leben lang dankbar sein für alle Güte und Zärtlichkeit, die ich ihm
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