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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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entgegengebracht habe, und es ist eigentlich gar nicht wahr, daß man jemals aufhört, jemanden zu lieben, und es sind eben wirklich nur die Verhältnisse, und er wird für alle Fälle mein Freund bleiben, und eben als wahrer Freund ist er aufrichtig und muß mir adieu sagen. Und zieht mich an sich und streichelt mir die Haare und fängt wieder an mich zu küssen, aber nicht nur die Stirne. Ich muß Dir gestehen, ich hab' sogar ein bißchen geweint, meine gute Helene, Du wirst es begreifen, nicht wahr?
    Und so ist es schließlich zwölf Uhr geworden vor lauter Abschiednehmen, und rührend war's, wie er später noch vor dem Diwan gekniet ist und mir die Hand geküßt hat. Das ist meine letzte Erinnerung an ihn, denn während dem Handküssen bin ich eingeschlafen, und wie ich mitten in der Nacht aufwache, ist die Lampe heruntergedreht, und er ist weg – auf und davon.
    Na, und seither hab' ich ihn nicht gesehen und hab' nichts gehört, und die Geschicht' ist aus. – Was sagst Du?? Und wenn Du mich fragst, was ich mach' oder machen will, ich weiß selber nicht. – Vorläufig bin ich ganz zufrieden. Ich ruhe mich aus, hab' einen famosen Schlaf, rauch' meine zwanzig Zigaretten im Tag und denk' mir: Wenn's nur immer so bliebe! Es ist eben alles nur Gewohnheit. Zwar sind es erst acht Tage, aber wenn's nach mir geht, leb' ich den ganzen Sommer so. Ich lese jetzt den ganzen Tag Romane, neulich einen, den empfehle ich Dir wirklich an: Da steht etwas, was ich mir schon lange denk', nämlich, daß eigentlich
wir
die anständigen Frauen sind. Ja, wir sind gar nicht weniger wie die andern, steht in dem Roman, wir sind mehr, weil wir natürlich sind, und er beweist's auch in dem Roman. Du mußt ihn lesen, wart, ich laß ihn Dir von der Lina einpacken und schick' ihn Dir.
    Jetzt bin ich neugierig, ob Du mir einen so langen Brief schreiben wirst! Wie verbringt Ihr denn eigentlich Eure Zeit? Fleißig im Theater? Bist Du schön brav und kokettierst nicht viel mit den Herren Parisern?
    Was, meine gute Helene, wer uns das prophezeit hätte! Gott, wenn ich so denk', die erste Zeit auf der Wieden, wie ich in allem Ernst zum Theater gegangen bin, weil ich mir gedacht hab', die fünfzig Gulden monatlich kann ich gut brauchen! Und wie mich der Anton alle Abend abgeholt hat, und wir sind in ein Wirtshaus gegangen und haben einen Rostbraten mit gestürzten Erdäpfeln gegessen! Meiner Mutter, wonach Du Dich erkundigst, geht es übrigens sehr gut, sie hat mich auch unter den letzten acht Tagen einmal besucht, und sie läßt Dich grüßen. Aber jetzt ist's wirklich genug, glaub' ich, und ich bitte freundlichst um eine ebensolche Antwort. Grüß den Deinigen!
    Seid Ihr schon mit Eueren Sommerplänen im reinen? Und sei so gut und mach' nur keine Unvorsichtigkeiten. Ich habe so eine Ahnung: Du bist auf einem guten Wege, das heißt, Du könntest eine Frau Gemahlin werden. Also, spar Dir eventuelle schöne Pariser auf später auf. Oder auch gar nicht.
    Eingebildet brauchst Du aber nicht zu werden, wenn er Dich heiratet, wirst in dem Roman schon lesen, daß Du dann eigentlich viel weniger bist als früher.
    Also nochmals Gruß und Kuß. Deine alte
    Josefine

Alfred von Wilmers an Theodor Dieling in Neapel

    Lieber Freund und Dichter!
    Ich hab' mir's ja gedacht! Nicht ohne Grund bleibt man noch im Sommer in Neapel! Du drückst Dich zwar so diskret aus, daß ich keine Ahnung habe, ob es sich um eine Prinzessin oder um eine Orangenverkäuferin handelt und ob der durch Olivenzweige glänzende Mond oder das Licht einer blauen Kristallampel »Zeuge Deiner Seligkeiten« ist, aber das ist ja auch nebensächlich. Und diese Liebschaften in der Fremde haben einen so besonderen Reiz! Das Ende kommt so ungezwungen –, eines Morgens reist man ab, nachdem man am Abend vorher – keinen Abschied genommen. Nachreisen tun sie einem ja doch nicht: erstens ist es zu kostspielig, und zweitens ist es der Verräter nicht wert, und drittens gibt es ja noch andere Männer in der Nähe. Was mich anbelangt, mein verehrter Dichter, kann ich Dir kaum was Neues mitteilen. Es sei denn, daß ich noch einsamer geworden bin seit dem Derbytage, an welchem ich Dir das letzte Mal schrieb. Du, damals bin ich richtig in den Wurstlprater gegangen, aber – es war ekelhaft. Bevor Dampfbäder und Parfüms ins niedere Volk gedrungen sind, werde ich mich kaum mit demselben befreunden können. Das ist wahrscheinlich eine Gemeinheit von mir; aber ich kann mir nicht helfen. Ich möcht' ja so

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