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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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gern, daß es allen Menschen gut ging', aber ich frag' nur: Wenn die Glücklichen auch in einem fort unglücklich darüber wären, daß es Unglückliche gibt, wo wären denn dann überhaupt die glücklichen Leut'!
    Glücklich – das ist so gesagt. Ich gehöre zu der Sorte, die man dafür hält; in Wirklichkeit geht's manchen, welche sich für vier Kreuzer Rum und damit Lebenslust kaufen können, viel besser. – Nämlich nach dem Wurstlprater bin ich doch noch auf den Konstantinhügel. – Ach ja! Ich dachte anfangs, der Kontrast müsse wirken! Ich machte mir das selbst möglichst deutlich. Siehst Du, jetzt warst Du unter lauter Menschen, mit zerfransten Hosen, fettigen Hüten, rauhen Stimmen – die »Kurze« rauchen, die sich die ganze Woche gerackert haben und den muffigen Geruch ihrer Vorstadtwohnungen in den Haaren tragen –, unter Weibern, die sich in der Küche geplagt haben und mit den Kindern und mit allem möglichen »Häuslichen« –, unter Dirnen, die sich heute abend in den Praterauen werden liebkosen lassen; – – und jetzt kommst Du zu den wohlsoignierten Herren in eleganten Sommerkostümen – die leise sprechen, heute früh ihr Bad genommen haben, ägyptische Zigaretten oder Pfosten à 2.50 rauchen und zwölf Glas Cognac trinken, ohne um eine Nuance röter im Gesichte zu werden –, –, zu den Damen mit gepflegten, rosigen Nägeln – welche schwarze Seidenstrümpfe tragen, zum Teil auch schwarze Seidenhemden (Fritz behauptet es, und Weidenthaler lächelt dazu in sich hinein) – die nach Violette de Parme duften und alle Gemeinheit nur in der Seele haben! – Wie hübsch, wie taktvoll das ist! Da ich mich um ihre Seele nicht kümmere, sind sie einfach entzückend. – Also wie gesagt, ich freue mich schon, und komme hinauf, und da, in einem der Zelte, sitzen sie richtig alle beisammen, Fritz und die Seine, Malkowsky und die Seine, Weidenthaler alleine – und außerdem haben sie sich noch den Fellner mitgebracht, Du kennst ihn ja, der den Girardi kopiert und krakauerische Couplets singt und überhaupt viel lustiger ist, als seine Nebenmenschen begreifen, welchen er je nach Rang und Alter zwischen fünf und zweihundert Gulden schuldig ist.
    Also da bin ich plötzlich unter ihnen und mach' mir den Kontrast recht deutlich. Ich sauge den Duft ein, der von den knisternden Kleidern der Damen und ihren Haaren ausgeht, ich berühre mit meinem Fuße die reizend chaussierten Füßerln, alles sozusagen aus wissenschaftlichem Interesse. Ich höre dem Fellner zu Couplets singen und lach' mit und erkläre mir: Der ist doch wirklich ein lieber Kerl. Ich trinke mit der Kleinen vom Fritz Bruderschaft, während er mir immerfort zuredet: Na, gebt's euch nur ein Pussel – lächerlich, unter Kameraden! und ich laß mir ein Pussel geben und spüre ihre Zahnderln an meinen Lippen, was ja eigentlich sogar unter Kameraden nicht mehr egal ist – ich trink' vier Glas Cognac, Prunier mit sechs Sternen, und rauch' einen Pfosten à 2.50 – und immerfort, immerfort hab' ich das vertrackte Gefühl: Ja, amüsant ist das alles durchaus nicht! Und es wird später, und unten warten die Fiaker, und in einen setzt sich der Weidenthaler und der Malkowsky mit Seiner, und der Fellner auf den Bock hinauf, als wenn's ein Witz wär', indessen hätte er sonst zu Fuß in die Stadt müssen, und in den zweiten ziehn mich Fritz und seine Donna, sie sitzt zwischen uns. Also jetzt, weil's gar so fidel war und ein gar so schöner Abend, noch einmal zum Lusthaus hinuntergerast, durch die dunkeln Alleen, so dunkel, daß man seine eigene Geliebte nicht sehen kann, was sich Mizi natürlich sehr zu Nutzen macht, und dann wieder zurück, und der Fellner auf dem Bock singt: »'s Herz von an echten Weana« – und die Kleine vom Malkowsky will tauschen, das heißt nämlich, der Weidenthaler soll in den andern Wagen und ich zu ihnen, und die Fritzische will mich nicht hergeben. Kurz, es war ungeheuer fidel! Und jetzt zum Prater hinaus. Wohin? Noch zum Sacher, heißt es, ins Separee, ein bissel Klavierspielen und tanzen. Gut also, zum Sacher. Der Fellner springt vom Bock, spielt den Lakai, öffnet die Wagenschläge, die Weiber hüpfen heraus, wir finden den kleinen Salon frei, den mit dem Klavier, es wird Champagner und Cognac gebracht; der Weidenthaler setzt sich zum Klavier, spielt einen Walzer, Fritz wünscht dringend, ich möchte mit Mizi tanzen, Bruderschaft tanzen, Bruderschaft tanzen, es wird also gewalzt, Malkowskys edle Dame empfindet

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