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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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Übelkeiten, liegt auf dem Kanapee, Weidenthaler knöpfelt die Taille auf, und allgemein wird ihr rosa Mieder bewundert. – Plötzlich sagt sie: Mir ist schon wieder gut, Kinder, und weiter wird gewalzt, und der Fellner macht großartige Pirouetten, erfindet einen Solotanz, über den man sich kugelt. Er kopiert die Cereale, die Rathner und schließlich den Girardi. Fritz lümmelt in einer Ecke, schlägt nur noch zeitweise die Augen auf, Weidenthaler haut blödsinnig auf die Tasten los; ein besorgter Kellner erscheint an der Türe. – Es wird still, in malerischen Gruppen sitzt man um den Tisch herum, Malkowsky, riesig elegant, entfernt sich und begleicht vor der Tür die Rechnung. Champagner hat man getrunken, Cognac auch, jetzt also noch Champagner mit Cognac, und das schöne Fest hat ein Ende. – Und nun treten wir alle hinaus. Die zwei Paare winken uns gnädigst aus den Fiakern Lebewohl zu, und Weidenthaler, Fellner und ich stehen da.
    Wir wollen noch ins Scheidl, da stehen aber schon die Sesseln auf den Tischen, die Kellner kehren aus, und die Lichter sind zum Teil abgedreht. Bleibt also nur noch ein Nachtcafé. Weidenthaler und Fellner können nicht anders; ich drücke ihnen freundlich die Hand und verlasse sie. – Hierauf folgt ein langer einsamer Spaziergang um den ganzen Ring. Der Morgen brach an, es war eine herrliche Luft, und ich fühlte – das muß anders werden. Das geht nicht mehr so weiter, diese Gesellschaft, dieser Ton, diese Hohlheit, diese Verblödung, nein, nein, nein! – Die Weiber und die Männer sind mir gleich zuwider. Die Parfüms und die Seidenstrümpfe sind doch nicht alles, wenn sie alles sind! – Ich ging den Stadtpark entlang, der erste Dämmerschein des Tages lag schon drüber. Da sind nun die Erinnerungen gekommen. – An das, was ich Jugendliebe nenne. Ich meine nicht die platonische, wo man Fensterpromenaden macht und sie einem dann weggeheiratet wird, weil man erst siebzehn Jahre alt ist. Nein, die andere, die nicht genug gewürdigte, die erste vernünftige Liebe, die zu irgendeinem kleinen Mäderl aus der Vorstadt, die bei Tag im Geschäft ist, die man abends an der Straßenecke erwartet und die man dann nach Mariahilf oder Fünfhaus begleitet – und die nichts anderes will als einen Ausflug am Sonntag oder einen Abend beim Volkssänger oder einen Sitz auf die dritte Galerie zu der neuen Operette oder ein Brasselett um einen Gulden und sehr, sehr, sehr viel Liebe. Nein, wie das damals schön war! Fahrten im Omnibus von Hietzing herein. – Spaziergänge in Weidlingau im Wald, tief im Wald. – Ja, das ist, was mir not tut. Es ist unglaublich, wie mein Geschmack verdorben worden ist, seit ich so ungeheuer elegant bin und den Ehrgeiz habe, die bestangezogene Geliebte in Wien zu besitzen. Wer weiß, an wie viel köstlichen Wesen ich achtlos vorbeigegangen bin. Und wer weiß, ob ich noch was für sie bedeuten würde, für sie, die viel, viel, sehr viel Liebe brauchen und die mit dem feinen Instinkt natürlicher Weiblichkeit meinen Augen und meiner Stirn die Müdigkeit und die Überreiztheit ansehen könnten. So ein frischer, junger Mensch sollte man wieder einmal sein, heiter, verliebt, mit der Sehnsucht nach Holunderduft, Frühling und Zärtlichkeit. Oh, das sehen sie einem an, die süßen Mädeln, die den Frühling und die Liebe wollen, und plötzlich hängt einem so ein herziges Ding am Arm, und man hat eine Geliebte statt einer Maitresse. – Diese Sehnsucht lehrt mich, daß ich jünger bin, als ich dachte, und darum befinde ich mich eigentlich wohler als in der letzten Zeit. Wer weiß, ob Du mit Deiner Neapolitaner Liebe nicht mitschuldig bist an dieser Erkenntnis? – Es ist spät geworden, mein Lieber, ich hab' Dir drei Stunden lang geschrieben. Nun gehe ich auf die Straße hinunter bummeln. Wer weiß? – Es liegen Abenteuer in der Luft! Durch mein offenes Fenster weht ein Abendduft herein, der mich um zehn Jahre jünger und dümmer macht! Und jetzt – jetzt, in Fünfhaus oder in der Alservorstadt, steckt vielleicht eben vor einem einfachen Holzrahmen-Spiegel ein sechzehnjähriges Jungfräulein eine Blume an die Brust, ohne zu ahnen, daß sie für mich bestimmt ist!
    Wenn ich nur wüßte, ob in der Alservorstadt oder in Fünfhaus? So gar kein festes Ziel zu haben! Lebe wohl!
    Dein treuer
    Alfred

Josefine Weninger an Helene Beier in Paris

    Meine liebe Helene!
    Du fragst mich, was es Neues gibt? Nun, seit ich den letzten Brief an Dich geschrieben, bin ich überhaupt

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