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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ergriff, etwa um die Mitte des Festes, eine unerklärliche Trunkenheit alle Geladenen? Warum schlug plötzlich das Menuett in eine Saltarella 1 um, beeilte das Orchester den Tact, glänzten, wie im Theater, die Kerzen in ungewöhnlichem Glanz? Wie kam es, daß ein wunderbarer, elektrischer Strom die Salons des Banquiers durchfluthete, daß die Tanzenden sich einander näherten, die Hände einander energischer drückten, und einzelne Cavaliere sich sogar durch gewagte Pirouetten und wunderliche Pas auszeichneten, und das während der sonst so majestätischen, anstandsvollen, feierlichen Pastorella!
    Welcher Oedipus hätte all diese Fragen beantworten können? Der Commissar Passauf, der auch an diesem Abend zugegen war, sah den Sturm nahen, konnte ihm aber nicht vorbeugen oder ihm entfliehen. Er merkte, wie auch er sich einer gewissen Trunkenheit nicht erwehren konnte, wie all seine physiologischen und Leidenschaftsfähigkeiten wuchsen, und man bemerkte zu wiederholten Malen, wie er sich an die Schüsseln süßen Backwerks machte und sie mit so fabelhaftem Appetit plünderte, als hätte er soeben eine lange Fastenzeit überstanden.
    Unterdessen nahm die Lebhaftigkeit der Gesellschaft mit jeder Viertelstunde zu; ein dumpfes Flüstern, gleichsam ein langgezogenes Summen stieg aus jeder Brust. Es wurde getanzt, wirklich getanzt, und die Füße regten sich mit immer wachsender Geschwindigkeit. Ueberall sah man auf karfunkelglänzende Augen, und hochrothe Wangen wie auf Silenengesichtern; die allgemeine Gährung war auf den höchsten Grad gestiegen.
     

    Kein Walzer mehr, sondern ein wahnsinniger Wirbel. (S. 55)
     
    Und als nun das Orchester den Walzer aus dem »Freischütz« intonirte und dieser echt deutsche langsame Tanz erklingen sollte, hörte man keinen Walzer mehr, sondern einen wahnsinnigen Wirbel, eine schwindelnde Rotation, die eines Vortänzers wie Mephistopheles mit glühendem Feuerbrande würdig gewesen wäre. Dann riß ein wahrer Höllengalop, dem Niemand Einhalt thun konnte, wohl eine Stunde lang Väter, Mütter, die jungen Leute, kurz Individuen jedes Alters, jedes Gewichts und jedes Geschlechts mit sich fort durch alle Räume der kostbar eingerichteten Wohnung, von den Salons durch die Vorzimmer, über die Treppen zum Keller hinunter und zum Boden hinaus. Unter diesen tollen Tänzern und Tänzerinnen befanden sich sowohl der dicke Banquier Collaert mit seiner Gemahlin, wie die Räthe, Magistratspersonen und Richter, Niklausse und Frau van Tricasse, der Bürgermeister und Commissar Passauf drehten sich in dem wilden Wirbel herum und wußten später nie, wer in diesem bacchantischen Reigen ihr Partner gewesen war.
    Auf Eine aber hatte ihr Tänzer, der Commissar Passauf, einen tiefen Eindruck gemacht; sie sah ihn in ihren Träumen, fühlte seine leidenschaftliche Umarmung und konnte ihn nicht vergessen. Diese Eine war unsere liebenswürdige Tatanémance!
Fußnoten
    1 Venetianischer Tanz.
Neuntes Capitel, in dem Doctor Ox und sein Famulus Ygen sich nur wenige Worte zu sagen haben.
    »Nun, Ygen?
     

    Kein Walzer mehr, sondern ein wahnsinniger Wirbel. (S. 55.)
     
    – Die Röhrenlegung ist fertig und Alles bereit, Meister.
    – Endlich! Jetzt wollen wir in großem Maßstabe operiren und eine Massenwirkung erzielen!«
Zehntes Capitel, in dem man sehen wird, wie die Epidemie in der ganzen Stadt um sich greift, und welch wunderbare Wirkung sich hervorbringt.
    In den folgenden Monaten dehnte sich das Uebel immer weiter aus; es verbreitete sich von den Privathäusern auf die Straßen und Gassen der Stadt, und Quiquendone war nicht mehr wieder zu erkennen.
    Das bisher beobachtete Phänomen wurde durch ein noch weit außerordentlicheres in den Schatten gestellt, denn nicht nur Menschen und Thiere, sondern auch die Pflanzen mußten sich vor ihm beugen.
    Gewöhnlich pflegen Epidemien gesondert aufzutreten, befallen sie die Menschen, so bleiben die Thiere verschont; und werden diese von der Krankheit ergriffen, so leiden doch die Pflanzen nicht darunter. Nie hat man erlebt, daß ein Pferd von den Blattern oder ein Mensch von der Rinderpest ergriffen wurde; auch pflegen die Hammel von der Kartoffelkrankheit verschont zu bleiben. Aber hier schienen alle Naturgesetze sich zu verleugnen. Nicht nur modificirten sich Charakter, Temperament und Ideen der Quiquendonianer selbst, sondern auch bei ihren Hunden, Katzen, Rindern, Pferden, Eseln und Ziegen war der Einfluß der Epidemie zu bemerken, als wäre ihr Lebenskreis ein

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