Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
machten es die Menschen nicht viel besser. Kein Alter blieb von der allgemeinen Raserei verschont.
    Die Kindererziehung war ehedem in Quiquendone so leicht gewesen; jetzt zum ersten Mal mußte der Oberrichter Honoré Syntax die Ruthe bei seinen Sprößlingen anwenden.
    Im Gymnasium fand ein förmlicher Aufruhr statt; die Wörterbücher zeichneten bedauerliche Flugbahnen durch die Klassen, und die Schüler konnten es nicht mehr in den Schulräumen aushalten. Aber auch den Lehrern mußte man große Ueberreiztheit und Aufregung vorwerfen, denn sie erdrückten die Knaben mit übermäßigen Strafarbeiten.
    Noch ein anderes Phänomen! Alle bis jetzt so mäßigen Quiquendonianer, sie, die Schlagsahne zu ihrem Hauptnahrungsmittel gemacht hatten, begingen wahre Excesse im Essen und Trinken. Ihr gewöhnliches Régime reichte nicht mehr aus; jeder Magen schien sich in einen Abgrund verwandelt zu haben, der wohl oder übel mit den wirksamsten Mitteln gefüllt werden mußte. Der Verbrauch von Nahrungsstoffen war der dreifache, und statt zweier Mahlzeiten pflegte man jetzt sechs zu halten; natürlich konnten zahlreiche Verdauungsbeschwerden nicht ausbleiben. Rath Niklausse wußte seinen Hunger nicht zu stillen, und der Bürgermeister van Tricasse konnte seinen Durst nicht zum Schweigen bringen, so daß er sich fortwährend in einer Art Halbtrunkenheit befand.
    Ueberall gaben sich die beunruhigendsten Symptome kund und häuften sich von Tag zu Tage.
    Man begegnete auf Schritt und Tritt Betrunkenen, und unter denselben oft sogar Notabeln.
    Der Arzt Dominique Custos hatte enorm viel zu thun, um Nervenfieber und Magenkrämpfe zu heilen, und schon dies allein lieferte wohl hinreichenden Beweis dafür, in wie gewaltsamer Weise die Nerven der Bevölkerung angespannt waren.
    Auf den ehemals so öden Gassen hörte man täglich Streit und Zank, und die Volksmenge wogte lebhaft auf ihnen hin und her, denn Niemand mochte mehr ruhig in seiner Behausung bleiben.
    Eine neue Polizei mußte geschaffen werden, um die Störer der öffentlichen Ordnung im Zaume zu halten, und ein Arrestlocal wurde eingerichtet, das Tag und Nacht mit Widerspenstigen bevölkert war. Commissar Passauf war hundemüde!
    Eine Heirat wurde während dieser denkwürdigen Zeit in weniger als zwei Monaten abgeschlossen, und zwar zwischen dem Sohn des Steuereinnehmers Rupp und einer Tochter der schönen Augustine von Rovere. Die Hochzeit fand statt genau siebenundfünfzig Tage, nachdem er um ihre Hand angehalten hatte!
    Auch andere Heiraten, die in früheren Zeiten ganze Jahre nur Project geblieben wären, machten sich jetzt im Fluge, und der Bürgermeister konnte sich nicht genug darüber wundern, wie seine Tochter, die reizende Suzel, ihm unter den Händen durchschlüpfte.
    Was die liebenswürdige Tatanémance anlangt, so hatte sie bereits unter der Hand gewagt, den Commissar Passauf in Betreff einer Vereinigung zu sondiren, die ihr alle Elemente des Glücks, der Jugend, der Ehrbarkeit und des Vermögens zu vereinigen schien!……
    Endlich fand sogar – o Abgrund alles Abscheulichen! – ein Duell statt, und zwar ein Pistolenduell mit Reiterpistolen auf fünfundsiebenzig Schritt Distance! Zwischen wem denn aber? Unsere Leser würden es schwerlich errathen: zwischen Herrn Frantz Niklausse, dem friedlichen Angler, und Simon Collaert, dem Sohn des reichen Banquiers.
    Und die Ursache des Duells – war des Bürgermeisters eigene Tochter, in die Simon sich sterblich verliebt hatte, und die er den Ansprüchen seines kühnen Nebenbuhlers nicht ohne Kampf überlassen wollte! –
Fußnoten
    1 Gewöhnliche Kürbisse.
     

Elftes Capitel, in dem die Quiquendonianer einen heroischen Entschluß machen.
    Man hat gesehen, in welchem bedauernswürdigen Zustand sich die Bevölkerung von Quiquendone befand. Die Köpfe waren in Gährung; man kannte sich und seine Freunde nicht mehr wieder. Die friedlichsten Leute brachen Streit und Zank vom Zaum, und man durfte Niemanden schief ansehen, ohne befürchten zu müssen, daß sofort Cartellträger geschickt würden. Einige der Herren hatten sich einen Schnurrbart stehen lassen, und andere – die Haupt-Kampfhähne – stolzirten mit einem Knebelbart einher.
    Unter solchen Verhältnissen wurde die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten, die Aufrechterhaltung der Ordnung in öffentlichen Gebäuden und auf der Straße äußerst schwierig, denn die verschiedenen Aemter waren für einen ganz anderen Zuschnitt der Dinge organisirt worden. Der

Weitere Kostenlose Bücher