Erzählungen
mein Freund, der Pianist, unangenehm überrascht war, als er eine Vorladung erhielt, vor dem Corrections-Tribunal von Doullens zu erscheinen. Ich habe seitdem auch erfahren, daß es ihm nicht gelungen war, sein Alibi nachzuweisen. In Folge dessen wurde er zu sechzehn Francs Strafe und in die Kosten verurtheilt, welche sich auf dieselbe Summe beliefen.
Ich beeile mich hinzuzufügen, daß er kurz darauf eine Postanweisung unter der Bezeichnung »Schadenersatz« mit zweiunddreißig Francs empfing, die ihm die ganzen Kosten deckte. Freilich hat er niemals erfahren, woher das kam, aber
der Flecken, verurtheilt worden zu sein, blieb doch auf ihm sitzen, und er ist bei der Behörde als Uebelthäter vorgemerkt.
XII.
Ich liebe die Jäger nicht, wie ich schon Eingangs sagte, vorzüglich weil sie gar so gern ihre Abenteuer erzählen. Nun, eben habe ich die meinigen geschildert. Verzeihen Sie mir das; es soll nie wieder geschehen.
Dieser Ausflug ist der erste und letzte des Verfassers gewesen, aber er hat davon eine Erinnerung zurückbehalten, welche an Bosheit grenzt. Allemal, wenn er einem Jäger mit dem Hunde hinter sich und mit der Flinte auf dem Arm begegnet, wünscht er ihm: »Viel Glück zur Jagd!«… und man sagt ja, daß ihm das »sicher Unglück bringt«!
Fußnoten
1 Unübersetzbares Wortspiel, da »
chien
« im Französischen die Bedeutung von »Hund« und von »Gewehrhahn« hat.
Anm. des Uebers.
Jules Verne
Frritt-Flacc!
I.
Frritt!… das ist der Wind, der heulend dahinfegt.
Flacc!… der Regen, der in Strömen niederstürzt.
Dies greulich wüthende Wetter krümmt die Bäume an der volsinischen Küste nieder und der Sturm prallt gewaltsam an die Bergwände von Crimma. Die hohen Felsgebilde werden unaufhörlich benagt von den Wogen des weiten Megalocride-Meeres.
Frritt!… Flacc!…
Im Hintergrund des Hafens versteckt, liegt die kleine Stadt Luktrop – einige hundert Häuser mit grünlichen Jalousien, die sie mehr oder weniger gegen den Wind der Seeseite schützen. Sie zählt vier bis fünf bergige Straßen – mehr Schluchten als Straßen – die mit Strandkieseln gepflastert und zum Theil mit Schlacken aus einigen Eruptionskegeln wenig landeinwärts bedeckt sind. Der betreffende Vulcan, der Vanglor, erhebt sich nur unweit von hier.
Während des Tages äußert sich der in seinem Inneren herrschende Druck durch das Emporwirbeln schwefliger Dunstmassen. Während der Nacht schlagen von Minute zu Minute lange, lohende Flammen in die Höhe. Gleich einem Leuchtthurme, dessen Licht auf hundertfünfzig Kertses weit hinausstrahlt bezeichnet der Vanglor den Küstenfahrern, den Felzanen, Verlichen oder Balanzen, deren Kiel die Gewässer des Megalocride-Meeres pflügt, die Lage des Hafens von Luktrop.
An der anderen Seite der Stadt starren noch einzelne Ruinen aus der crimmaischen Epoche empor. Dort erhebt sich auch eine Vorstadt von fast arabischem Aussehen, eine Art Kasbah, mit weißen Mauern, runden Dächern und von der Sonne durchglühten Terrassen. Es ist eine Anhäufung blindlings hingeworfener Steinvierecke, ein richtiger Haufen von Würfeln, wie sie zum Spielen dienen, deren Augen durch die Patina der Zeit verwischt wären.
Unter Anderen bemerkt man die »Sechs-Vier«, ein Name, den die Leute einem wunderlichen Bauwerke mit viereckigem Dache gegeben haben, das an der einen Front sechs, an der anderen vier Oeffnungen zeigt.
Ein viereckiger Glockenthurm überragt die Stadt, der Thurm der Sainte Phisilene-Kirche, deren Glocken in Mauerspalten aufgehängt sind, so daß der Orkan sie in Schwingung setzen kann. Das ist immer ein schlimmes Vorzeichen, und wenn es geschieht, dann hat man Furcht im Lande.
Das ist Luktrop. Daneben giebt es auf dem Lande verstreute Wohnstätten, eigentlich nur elende Hütten, inmitten von Ginstergestrüpp und Heidekrautflächen – etwa wie in der Bretagne. Sind wir in Frankreich? – – Das weiß ich nicht. – In Europa? – Das kann ich nicht sagen.
Jedenfalls suche man Luktrop auf keiner Landkarte – nicht einmal im großen Stieler.
II.
Frocc! – An der links an der Ecke der Messaglière-Straße gelegenen Thür des Sechs-Vier-Hauses ertönte bescheidenes Klopfen. Es ist eines der vornehmsten Häuser, wenn man von einem solchen in Luktrop dieses Wort gebrauchen kann, und eines der reichsten, wenn der Umstand, jahraus jahrein einige Tausend Fretzers zu verdienen, Reichthum genannt werden kann.
Auf dieses Klopfen antwortete ein wüthendes, mit Geheul vermischtes
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