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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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der andere Herr, der Herr Swift, der darf auch keinen Zucker nehmen, von wegen – der ist auch zuckerkrank ...«
    »So, so ...« sagte der Geheimpolizist Hochroitzpointner nur und verschwand.
    »Sie können gehen, Pospischil«, meinte der Kommissar, »oder warten Sie noch, haben Sie den Swift fortgehen sehen ?«
    »Ja, Herr Hofrat, um dreiviertel vier hab' ich ihn geholt, von wegen es hat jemand am Telephon nach ihm gefragt.« »Und da hat der Kussmaul noch gelebt?«
    »Das weiss ich nicht, halten zu Gnaden, Herr Hofrat, das weiss ich also wirklich nicht. Ich hab' geklopft und hab' gesagt: ›Telephon für den Herrn Swift.‹ Da hat eine Stimme gesagt: ›Yes‹, die Tür ist aufgerissen worden, undich bin zurückgefahren, weil, wissens'S, Herr Hofrat, der Kussmaul, der hat es nicht ganz gerne gehabt, wenn ich ins Zimmer gekommen bin, und einmal, da hat er mir ...«
    »Das interessiert mich nicht, Pospischill
    »Da hat er mir eine leere Flasche an den Kopf geworfen ... Ja, also, der Herr Swift, der ist mit mir zum Telephon gegangen, und dann hat er gredt, englisch, ich hab' nix verstanden, und dann ist er fortgegangen. Hat mir gesagt, ich soll dem Kussmaul sagen, er kann die Partie nicht fertig spielen ... Aber ich hab' mich verspätet, hab' zu tun gehabt, andere Gäste haben geläutet, ah, mein! Der Hofrat wissen gar nicht, wie schwer es unsereiner hat, den ganzen Tag laufen, und das kleine Trinkgeld, geizig sind die Schieber ...«
    »Schon gut, Pospischil, und wann sind Sie dann ins Zimmer gekommen?«
    »So um halb fünf, Herr Hofrat, und ist der Kussmaul ... eh, der Ermordete – es weiss ja keiner, ob er wirklich Kussmaul heisst, einmal hat ihn einer ganz anders genannt–, da ist er am Boden gelegen, und ich hab' der Polizei telephoniert ...«
    »Und Sie heissen Ottokar mit dem Vornamen, Pospischil?« »Zu Befehl, Herr Hofrat, Ottokar, ja, wie mein Grossvater ...«
    »König Ottokars Glück und Ende ...« murmelte Kommissar Kreibig.
    »Wie belieben, Herr Hofrat?«
    »Nichts, Pospischil, so heisst ein Stück von dem Wiener Grillparzer, aber den kennen Sie nicht...«
    »Nein, Herr Hofrat, einen Gast dieses Namens haben wir nie gehabt in unserem Haus.«
    »Und Sie haben ein Messer, Pospischil?«
    ... Der schwarze König ... König Ottokar ... aber dann passte der Zucker wieder nicht ... aber der Swift war zuckerkrank, der Hochroitzpointner hatte vielleicht doch recht, aber Swift, Swift ... der hatte doch keine Königsdramen geschrieben, nur diese Geschichten über die Reisen ...Gulliver? Ja, Gulliver... Es ging ein wenig kreuz und quer zu in Kreibigs Kopf.
    »Sie haben ein Messer, Pospischil?« fragte er noch einmal, weil der Kellner schwieg.
    »Oh, nur ein Federmesserl, Herr Hofrat«, und Pospischil zeigte in einem rührend verlegenen Lächeln seine schadhaften Zähne.
    »Zeigen!«
    »Bitte schön, bitte gleich ...«
    Aus der glänzend schwarzen Hose zog Pospischil ein Messer heraus, kurz wie der kleine Finger. Kreibig sah es an, klappte es auf: schartig, verrostet; er zuckte mit den Achseln.
    »Sie können gehen, Pospischil.«
    »Gehorsamster Diener, Herr Hofrat.« Und Pospischil verschwand ebenso lautlos wie vorher der Geheimpolizist Hochroitzpointner.
    Kreibig nahm einen Stuhl, stellte ihn neben das runde Tischchen, auf dem die begonnene Schachpartie stand, stützte das Kinn in die Hände und prüfte die Stellung der Figuren.
    Herr Swift hatte also Weiss. Er schien ein Liebhaber alter, erprobter Spielweise zu sein. Kreibig war ein guter Schachtheoretiker. Weiss hatte Königsgambit gespielt, Schwarz hatte es angenommen, wieviel Züge hatten die beiden gemacht? Höchstens zehn. Weiss hatte einen Springer geopfert, hatte also probiert, das uralte Kieseritzkygambit zu spielen, aber Schwarz kannte die Erwiderung – scheinbar. – Wer hatte nur die Widerlegung erfunden, die Widerlegung dieses Angriffes, der einmal als gut galt? Es war ein Kerl, wie hiess er nur? Süsskind? Nein. Schokoladentorte? Dummes Zeug! Ein bekannter Meister, ein Schachmeister aus dem vorigen Jahrhundert. Wen gab es da? Anderssen? Nein. Morphy? Nein. Pilger? Das war ein Theoretiker ...
    Kreibig gab es auf ... Er starrte auf den Toten. In der einen Hand der schwarze König, in der anderen drei StückWürfelzucker ... War der Zucker das Wichtige oder der König? War der Hochroitzpointner im Recht, der jetzt hingegangen war, den Engländer Swift zu suchen, um ihn zu arretieren? Den Swift, der ebenfalls ein Diabetiker war? »Kussmaul«, dachte

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