Erzählungen
mehr mit Schafott verwechseln, will ich mich doch lieber anvertrauen, nur um Ihnen Ihre Freundlichkeit zu vergelten. Machen Sie die Tasche nicht auf ... Lassen Sie mich zuerst sprechen ... Sie haben recht, ich will zuerst meine Zigarette anzünden ... oh, ich habe sie ja ganz zerkaut, in der Aufregung, wir wollen sie in den Papierkorb werfen ... Sie können eigentlich die Tasche ruhig aufmachen ... es sind Briefe darin, lesen Sie nur, in dieser Zeit werde ich mich soweit gesammelt haben ... Verstehen Sie? ... Die Zündhölzer sind nichts wert, sie brechen immer ab. So, jetzt ... Liebesbriefe, Liebesbriefe von meiner Frau ... Danke, ich nehme gern noch einen Schluck Wein, habe so einen bitteren Geschmack im Munde ...
Das einzige, das ich zu meiner Verteidigung vielleicht anführen könnte, ist folgendes: Ich habe nämlich aus Notwehr gehandelt. Aber sehen Sie, auch das kann ich nicht beweisen. Stellen Sie doch bitte das Diktaphon ab, wir brauchen es nicht mehr. Ich will morgen gern alles zu Protokoll geben ... wenn es noch nötig ist ... Danke, Herr Schaffroth.
Notwehr; vor drei Tagen hab' ich einen Brief unter meinerKorrespondenz entdeckt, er war irrtümlich dazwischen geraten, es war ein Brief meiner Frau, frankiert, adressiert. Vielleicht hatte sie diesen Brief dem Mädchen gegeben, und das Mädchen hatte ihn aus Zerstreutheit unter die angekommenen Briefe gemischt. Frauen sind manchmal unvorsichtig. Genug. Ich öffnete den Brief, er war an ein Postfach adressiert, es stand kein Name drauf. Der Inhalt? Etwa folgendermassen war er: Meine Frau bestätigte einem gewissen Claude, ich müsse in zwei Tagen nach Italien verreisen, sie gab den Zug an, alles war klar geschildert. Die Gelegenheit sei günstig, schrieb sie, und er, Claude, solle sie nutzen. Ich nahm ein neues Kuvert, schrieb selbst die neue Adresse, mit Schreibmaschine, und schickte ihn ab.
Die Gelegenheit... Der Brief war zärtlich... Es gibt Unglücksfälle, die auf der Bahn passieren können, es wird nicht viel Aufhebens davon gemacht, drei Zeilen in der Zeitung, ein Nachruf im lokalen Blatt: Der bekannte Industrielle... wahrhaftiger Patriot... unvergessliches Andenken... der Gesangverein unter der bewährten Leitung von... sang ihn ins Grab. Ich danke dafür.
Ich hab' mir nichts anmerken lassen... Das Suchen ist nutzlos, Herr Schaffroth, der Brief ist verbrannt worden, es stand eigens als Nachschrift, und ich habe die Briefe durchgesehen. Was Sie noch finden, ist unwichtig. Sie können die Briefe deuten so und so, Irene können Sie nichts damit beweisen. Es ist genug an einem. Sie kommen um Ihren Skandal, glauben Sie mir.
Es wird heiss im Zimmer, und dies Jucken in den Beinen. Wohl die Schlaflosigkeit. Ich will mich beeilen, dann werden Sie mich wohl in Ruhe lassen.
Der Clou vom ganzen ist nämlich folgendes: Der gute Claude war ein Hochstapler... Wie ich ihn erkannt habe? Trotzdem ich ihn nie gesehen habe? Trotzdem er hinter dem »Temps« verborgen war? Ich habe Ihnen gesagt, wir sind im Gang auf und ab gebummelt. Vor der Tür des Zeitungsmannes ist Irene zusammengezuckt... Ich spreche recht unzusammenhängend... Der Clou nämlich: Claudehat mir die Briefe zum Kauf angeboten, wollte gar kein Unglück, wollte mich nicht beiseite schaffen... Erpressung ist eben doch einfacher, nicht so alternierend wie ein Mord ... Aber ich habe doch den Mord gewählt? Mord? Ich habe viele Entschuldigungen. Wenn dieser Papierschnitzel nicht gewesen wäre, denn dass Sie nach der Tasche forschen würden... Sie wissen jetzt alles...
Aber eins haben Sie nicht bemerkt... Sie waren zu eifrig, Sie wollten die Briefe zu schnell lesen. Die Zigarette, jawohl die zerkaute Zigarette, jetzt kommen Sie nach.
Jawohl, in der zerkauten Zigarette hatte ich etwas versteckt... für alle Fälle... Ich hatte es schon lange... Ein verstorbener Freund, ein Arzt, hat es mir geschenkt... Ein sympathisches Präparat, wirkt stark, nur ein wenig Druck über dem Herzen, aber der vergeht... Ja, die grauen Wildlederhandschuhe... an denen hab' ich ihn erkannt, hätte ich ihn erkannt, auch wenn Irene nicht zusammengezuckt wäre... Diese Wildlederhandschuhe. Wie gut doch eine Frau lügen kann... Aber wir sind doch alle Lügner, mehr oder weniger... Und Sie, Wahrheits-Champion... Sie tun mir ein wenig leid, Tag für Tag eine Wahrheit suchen zu müssen, die doch nicht die Wahrheit ist... Denn Wahrheit hat mit Worten nichts zu tun... Glauben Sie nicht auch?... Somit empfehle ich mich, Herr Schaffroth,
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