Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
gekocht. Risotto besonders. Weisst du noch? Und den Bodenhast du auch gefegt. Du warst eigentlich ein guter Kerl ... Du liegst so still. Nur deine Haare sind verstrubbelt, wie immer. Komm, ich will sie dir kämmen. Damit du nicht so unordentlich aussiehst, wenn sie dich morgen finden. Was werden sie mit dir machen? Sezieren werden sie dich und dann eingraben. Es wird wohl niemand zu deinem Begräbnis kommen. Und deine braven Füsse ...
    Wir wollen an anderes denken. Weisst du noch, der Sommer am See? Siehst du, damals hast du mich angelogen. Du hast gesagt, du könnest glänzend schwimmen, und dann hast du nicht einmal Wasser treten können. So einer warst du. Und ich bin doch so gern geschwommen, das Wasser war lau, du bist am Ufer gehockt und hast ein Feuer angezündet, um die Mücken zu vertreiben. Und hast mit unserem Hund gespielt. Und ich war eifersüchtig auf den Hund und hab' ihn weggeschenkt ... Du bist am Ufer gesessen und hast gehustet, wenn der Rauch dir in die Nase gefahren ist. Aber dazu hast du doch ununterbrochen Zigaretten geraucht. Und immer diese starken französischen. Beinahe hättest du mich angesteckt mit diesem Laster. Weisst du noch, eine Zeitlang habe ich viel geraucht, du hast es mir beigebracht. Und dann hab' ich es mir abgewöhnt.
    Damals, das letzte Jahr am Konservatorium. Ich hatte kein Geld. Da bist du hingegangen und hast auf einem Bau geschafft, als Handlanger. Wir waren sehr sparsam. Und dann hab' ich die Erbschaft gemacht. Ich muss sagen, du hast mir eigentlich immer geholfen, wenn es nötig war. Und schliesslich, ist Geld denn eine so wichtige Sache? Ich weiss, es ist dir damals nicht leicht geworden, wieder so einfache Handarbeit zu verrichten, aber du hast es doch getan, eigentlich für mich.
    Komisch siehst du aus, wie du da liegst, mit deinem eingefrorenen Lächeln. Du hast auch im Schlaf manchmal so gelächelt. Ja. Dann hab' ich mich immer geärgert. Denn ich hab' gedacht, du lachst mich aus. Du warst doch ein komischer Kerl. Weisst du noch, damals, als ich den Rappelhatte und mich in diesen Idioten, diesen Arzt, verliebt hatte und es dir erzählte? Da hast du auch gelächelt. Und das hat mich so wütend gemacht, dass ich hingegangen bin und dich mit ihm betrogen habe. Und habe dir auch das erzählt. Du hast nicht einmal geweint damals, aber ich hab' geheult, weil ich immer denken musste, dass ich etwas Schönes zerstört hatte. Denn der Mensch, der Arzt, war ja ganz unmöglich, ungeschickt, eingebildet. Ich hab' ihn nicht mehr sehen können, nachher. Du hast mich dann trösten müssen, und weisst du, was du gesagt hast? »Das scheint mein Schicksal zu sein«, hast du gesagt, »zuerst probieren die Frauen mich zu betrügen, wie man so sagt, und dann muss ich auch noch trösten.« Und dann hast du gesagt, dass gar nichts kaputt sei, im Gegenteil, wir würden jetzt noch näher beieinander sein. Und das war richtig. Dann kam diese schöne, reife Zeit; wie lang hat sie gedauert? Ein Jahr? Ich hatte Erfolg. Du hast nie in ein Konzert kommen wollen. Aber daheim hast du mich immer korrigiert. Und du verstandest, weiss Gott, etwas von der Sache. Solche Menschen wie du, was tun die eigentlich auf dieser Welt? Schau, du musst mir verzeihen. Ich hab' so viel Bürgerliches noch in mir. Ich hätte dich gern geheiratet. Aber du hast nie gewollt. Es war dir zu kompliziert. Zu bürgerlich.
    Ja, das Jahr. Es war schon merkwürdig. Wir hatten nicht nur fast die gleiche Schrift, wir sprachen die gleiche Sprache. Eine stumme Sprache. Komisch, wir verstanden uns, nur mit den Augen. Weisst du noch, wie uns einmal der Impresario besucht hat, damals in Paris, ich sollte irgendwo auftreten, und er die Flucht ergriff, weil es ihm unheimlich wurde? Wir sprachen beide nichts, und er hatte wohl den Eindruck, dass er Gespenstern gegenüber sässe. Und es war doch nur ein Wolkenreh und ein Brüderlein.
    Ich habe dich damals immer Brüderlein genannt. Wohl wegen dem Lied:
    Brüderlein fein, musst nicht böse sein ...
    Sag mir doch, du hast doch alles erklären können, warumwerd' ich so sentimental? Sind Erinnerungen denn immer sentimental? Oder verwechsle ich da wieder etwas? Ich bin doch nicht gefühlvoll, oder »voll Gefühl«, wie du immer sagtest. Ich seh' nur Bilder, und auf all diesen Bildern bewegst du dich, Brüderlein. Ich darf ja heute abend noch weinen, das letzte Mal, bei dir. Und morgen werd' ich eine grosse Dame, werde repräsentieren, am Arme meines Gemahls (du hättest gegrinst, wenn du das

Weitere Kostenlose Bücher