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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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sie sich in ihren Stuhl zurücklehnte und die unteren Extremitäten weit von sich streckte, »ja, Moissart, Voissart, Croissart und Froissart. Aber Froissart war ein sehr großer Narr, ein sehr großer Esel, wie Sie selbst – denn er ging aus das schöne Frankreich nach dies dumme Amerika, und als er dort war, hatte er ein sehr dummen, einen sehr, sehr dummen Sohn, wie ich habe gehört, und den ich noch nicht zu kennenlernen das Vergnügen hatte.
    Sein Name ist Napoleon Bonaparte Froissart, und Sie werden auch wohl von ihm sagen, er sei kein ehrenwerter Name?«
    Entweder die Länge oder der Gegenstand ihrer Rede hatte Mrs. Simpson in ungewöhnlicher Weise aufgeregt, denn als sie zu Ende gekommen war, sprang sie wie verhext auf, wobei verschiedene Wattierungen aus ihrem Kleide fielen. Vor mir stehend, fuchtelte sie wie wahnsinnig mit den Armen, rollte ihre Ärmel auf und drohte mir mit beiden Fäusten; zum Schluß riß sie die Haube vom Kopf und mit ihr eine mächtige Perücke wundervollen schwarzen Haares, warf das Ganze auf die Erde, trampelte mit den Füßen darauf herum und tanzte unter gellendem Geschrei einen wahren Fandango sinnlosester Wut. Unterdessen sank ich schreckensbleich auf den Stuhl, den sie verlassen hatte.
    »Moissart und Voissart«, wiederholte ich gedankenvoll, während sie weiter raste, »und Croissart und Froissart!« während sie dazwischenrief:
    »Moissart, Voissart, Croissart und Napoleon Bonaparte Froissart!«
    »Was? Du alte Schlange, das bin ich – das bin ich – hörst du? Das bin ich!« schrie ich mit Fistelstimme. »Ich bin Napoleon Bonaparte Froissart! Und wenn ich nicht meine Urgroßmutter geheiratet habe, will ich in Ewigkeit verdammt sein!«
    Madame Eugénie Lalande, quasi Simpson, frühere Moissart, war in der Tat meine Urgroßmutter. In ihrer Jugend war sie sehr schön gewesen und hatte selbst bis in ihr jetziges Alter ihre majestätische Gestalt, die klassisch-schöne Kopfform, die schönen Augen und die griechische Nase bewahrt. Mit Hilfe sowohl von Puder, Schminke, falschem Haar, falschen Zähnen und falschen ›Formen‹ wie durch die Künste der geschicktesten Pariser Schneiderin wußte sie noch immer einen Platz unter den schon etwas verjährten Schönheiten der französischen Hauptstadt einzunehmen. In dieser Hinsicht hatte sie allerdings viel mit der berühmten Ninon de l‘Enclos gemein.
    Sie war ungeheuer reich, und da sie zum zweiten Mal Witwe wurde und kinderlos war, erinnerte sie sich meiner und kam nach Amerika, in der Absicht, mich zu ihrem Erben einzusetzen. Zur Begleitung auf ihrer Reise hatte sie eine entfernte Verwandte ihres zweiten Gatten, eine gewisse früh verwitwete Madame Stephanie Lalande, eine Dame von ganz ungewöhnlichem Liebreiz, mitgenommen.
    In dem Opernhaus hatte ich die Aufmerksamkeit meiner Urahne auf mich gezogen, weil sie durch ihre Lorgnette eine auffallende Familienähnlichkeit mit sich entdeckt hatte. Da sie wußte, daß ich in der Stadt wohnte, hatte sie Erkundigungen über mich eingezogen.
    Der Herr, der bei ihr war, kannte mich und gab ihr über meine Persönlichkeit Auskunft. Daraufhin hatte sie mich von neuem so auffällig angesehen, und diese Blicke hatten mich ermutigt, daß ich in der bereits erzählten Weise antwortete. Sie erwiderte meine Verbeugung nur unter dem Eindruck, daß ich durch irgendeinen seltsamen Zufall ihre Person erkannt hätte. Als ich, durch meine schwachen Augen und ihre Toilettenkünste über das Alter und die Reize der Dame getäuscht, Talbot so eindringlich nach ihrem Namen fragte, glaubte er, ich meine die jüngere Dame, und antwortete der Wahrheit gemäß, es sei die »berühmte Witwe Madame Lalande«.
    Am nächsten Morgen hatte meine Urahne dann Talbot, der ein alter Pariser Bekannter von ihr war, auf der Straße getroffen; natürlicherweise kam die Rede auf mich. Er erzählte ihr unter anderem, daß ich mein Gebrechen so eifrig zu verheimlichen suche, denn obwohl ich keine Ahnung davon hatte, war meine Eitelkeit allgemein bekannt, und meine gute alte Verwandte entdeckte so zu ihrem Leidwesen, daß sie sich getäuscht hatte, als sie annahm, ich habe sie erkannt, und daß ich mich lächerlich genug gemacht hatte, mich in eine alte Frau zu verlieben. Um mich für meine Dummheit zu bestrafen, hatte sie mit Talbot ein Komplott geschlossen. Er ging mir sorgfältig aus dem Wege und vermied es hartnäckig, mir die geringste Auskunft zu geben. Meine Erkundigungen, die ich auf der Straße über die reizende Witwe

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