Erzählungen
schweigen.
Bisher habe ihn die aufrichtigste Zuneigung zu dem jungen Manne, ungeachtet der üblen Behandlung, die er ihm, Herrn Biedermann, hätte angedeihen lassen, bewogen, alle nur erdenklichen Einwendungen zu machen, um den Verdacht, der ja leider schwer auf Herrn Pfennigfeder lastete, zu entkräften; doch sprächen jetzt die Umstände zu überzeugend, zu verdammend gegen ihn – Herrn Pfennigfeder nämlich; nun dürfe er nicht länger zurückhalten und müsse alles sagen, sollte auch sein – Herrn Biedermanns Herz – darunter brechen.
Und nun setzte er deutlich auseinander, wie an dem Nachmittage des Tages vor dem Verschwinden des Herrn Schüttelwert dieser würdige alte Herr seinem Neffen in seiner – Herrn Biedermanns – Gegenwart gesagt habe, der Zweck der Reise, die er morgen unternehmen werde, sei der, bei der Farmerbank eine ungewöhnlich hohe Geldsumme zu deponieren, und daß bei dieser Gelegenheit der besagte Herr Schüttelwert dem besagten Neffen deutlich seinen unabänderlichen Entschluß kundgetan habe, das ursprüngliche Testament für nichtig erklären zu lassen und ihn ›mit einem Ei und einem Butterbrot‹ abzuspeisen.
Er, der Zeuge, fordere nun den Angeklagten in feierlicher Weise auf, auszusagen, ob er, der Zeuge, in allen wesentlichen Punkten die Wahrheit gesagt habe oder nicht.
Zum großen Erstaunen aller Anwesenden gab Herr Pfennigfeder die Wahrheit dieser Aussagen ohne die geringste Einschränkung zu.
Der Untersuchungsrichter hielt es nun für seine Pflicht, etliche Polizisten in das Haus des Herrn Schüttelwert zu schicken, damit sie das Zimmer des Angeklagten einer genauen Durchsuchung unterzögen. Von dieser Haussuchung kamen sie fast umgehend wieder mit der wohlbekannten stahlbeschlagenen Brieftasche aus rotbraunem Leder zurück, die, wie jedermann wußte, Herr Schüttelwert seit Jahren bei sich getragen. Ihr wertvoller Inhalt jedoch war verschwunden, und vergebens bemühte sich der Untersuchungsrichter, aus dem Angeklagten herauszubringen, welchen Gebrauch er von dem Gelde gemacht oder wo er es verborgen habe. Er leugnete hartnäckig, von der Sache auch nur das geringste zu wissen.
Die Polizeidiener hatten außerdem noch in dem Bette des Unglückseligen auf dem Strohsack eins seiner Hemden und ein Halstuch gefunden, beides mit den Anfangsbuchstaben seines Namens gezeichnet und mit dem Blute des Opfers auf das gräßlichste besudelt.
Kaum war dies alles festgestellt, so wurde auch gemeldet, daß das Pferd des Ermordeten soeben infolge der erhaltenen Verletzung verendet sei. Herr Biedermann schlug sofort die Sezierung des Tieres vor, damit man, wenn möglich, die Kugel fände. Man folgte seinem Rate und fand, als hätte sich alles vereinigt, um die Schuld des Angeklagten restlos zu beweisen, nach langem Suchen in dem Brustkasten des Pferdes eine ungewöhnlich große Kugel, die bei näherer Untersuchung genau in den Lauf der Büchse des Herrn Pfennigfeder paßte, während sie für die Büchsen aller übrigen Einwohner von Rattelburg und Umgegend zu groß war.
Um die Sache noch klarer zu machen, stellte sich überdies heraus, daß die Kugel außer der gewöhnlichen noch eine kleine Naht hatte, die mit der anderen einen rechten Winkel bildete, und diese zweite Naht entsprach genau einer zufälligen Erhöhung im Kugelgießer, den der Angeklagte selbst als sein Eigentum anerkannte.
Nach Auffindung dieser Kugel hielt der Richter alle weiteren Schuldbeweise für überflüssig und erklärte, daß der Angeklagte vor die nächsten Assisen gestellt werden würde. Jede Bürgschaft – Herr Biedermann mit seinem warmen Herzen hatte sich erboten, dieselbe in beliebiger Höhe zu leisten, – müsse er unbedingt zurückweisen.
Dieser Edelmut des alten Karlchen stimmte auf das schönste zu dem ehrenhaften, liebenswürdigen Betragen, dessen er sich während der ganzen Zeit seines Aufenthalts in Rattelburg befleißigt hatte. Im vorliegenden Falle ließ sich der würdige Herr so von seiner warmen Herzensgüte fortreißen, daß er, als er sich anbot, Bürgschaft für seinen jungen Freund zu leisten, ganz vergessen zu haben schien, daß er auf Gottes weiter Erde eigentlich kein festes Besitztum im Werte auch nur eines Dollars hatte.
Es war nicht schwer, vorauszusehen, wie der Urteilsspruch lauten werde. Unter den lauten Verwünschungen der Rattelburger wurde Herr Pfennigfeder vor die Geschworenen gestellt, und die Kette der überzeugenden Schuldbeweise, die Herrn Biedermanns zartes Gewissen
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