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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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›mit unendlichem Vergnügen‹ nach. Ich steckte einen Meißel zwischen Deckel und Kiste und schlug einige Male leicht mit dem Hammer auf denselben.
    Der Deckel flog plötzlich mit Heftigkeit in die Höhe – und im selben Augenblicke richtete sich, dem Wirt gerade gegenüber, der blutige, schon halb verweste Leichnam des ermordeten Herrn Schüttelwert in sitzender Stellung aus der Kiste auf. Er blickte Herrn Biedermann ein paar Augenblicke lang mit seinen verglasten Augen starr und kummervoll an. Dann sprach er langsam, aber deutlich und nachdrücklich die drei Worte: »Du hast’s getan!« und fiel, als sei er nun zufriedengestellt, aus der Kiste heraus und streckte seine Glieder auf dem Tische aus.
    Die Szene, die folgte, spottet jeder Beschreibung. In grauenhaftem Entsetzen stürzte alles auf die Türen und Fenster zu, und selbst einige der stärksten Männer wurden vor bloßem Schreck ohnmächtig. Doch nach dem ersten wilden Ausbruche des Grauens richteten sich aller Augen auf Herrn Biedermann. Wenn ich tausend Jahre alt würde, könnte ich nie die Todesangst vergessen, die sich auf seinem eben noch so triumphierenden, strahlenden, nun geisterhaft verzerrten Gesichte widerspiegelte.
    Mehrere Minuten lang saß er wie versteinert, seine vollständig ausdrucklos gewordenen Augen schienen nach innen gewandt und in der Anschauung seiner elenden, heuchlerischen Seele ganz versunken zu sein. Endlich wurden sie sich der äußeren Welt wieder bewußt, es blitzte in ihnen auf, und im selben Augenblicke sprang er von seinem Stuhl und fiel mit Kopf und Schultern schwer auf den Tisch, so daß er den Leichnam berührte, und legte ein ausführliches Geständnis des grausigen Verbrechens ab, um dessentwillen man Herrn Pfennigfeder eingekerkert und zum Tode verurteilt hatte.
    Er erzählte im wesentlichen folgendes: Er folgte seinem Opfer bis in die Nähe des Sumpfes, dort schoß er mit einer Pistole auf das Pferd und erschlug den Reiter mit dem Griff derselben, eignete sich die Brieftasche an und schleppte das Pferd, das er für tot hielt, mit vieler Mühe in die Brombeergebüsche, die den Sumpf umstanden. Den Leichnam des Herrn Schüttelwert befestigte er auf seinem eigenen Pferde, um ihn, weit von dem Tatorte, im Walde zu verbergen.
    Die Weste, das Messer, die Brieftasche, ja, sogar die Kugel hatte er selbst an die Stellen gebracht, an denen man sie gefunden, in der Absicht, sich an Herrn Pfennigfeder zu rächen. Auch hatte er die Entdeckung des blutgeröteten Halstuches und Hemdes herbeigeführt.
    Gegen Ende dieser haarsträubend gräßlichen Aussagen wurde die Stimme des schuldigen Elenden unsicher und hohl. Als er endlich fertig war, erhob er sich, schwankte ein paar Schritte vom Tische zurück und fiel tot zu Boden.
    Die Mittel, die dieses rechtzeitige Geständnis herbeiführten, waren trotz ihrer großen Wirksamkeit äußerst einfache. Herrn Biedermanns übermäßige Biederkeit hatte mich angeekelt und gleich anfangs Verdacht bei mir erregt. Ich war dabei gewesen, als Herr Pfennigfeder ihn geschlagen hatte, und der teuflische Ausdruck, der damals, wenn auch nur für einen Augenblick, sein Gesicht verzerrte, hatte mich überzeugt, daß er die Drohung, sich zu rächen, reichlich ausführen werde. So war es mir also möglich, die Manöver des alten Karlchen in einem ganz anderen Lichte zu erblicken, als es die guten Rattelburger taten. Ich sah sofort, daß alle belastenden Entdeckungen direkt oder inderekt von Herrn Biedermann ausgingen. Was mir jedoch die Augen über den wahren Sachverhalt öffnete, war der Umstand, daß Herr Biedermann in dem Kadaver des Tieres eine Kugel fand . Ich hatte nicht, wie die Rattelburger, vergessen, daß der Körper des Pferdes ein Loch aufwies, durch das die Kugel eingedrungen, und ein anderes, durch das sie wieder hinausgegangen war. Wenn man dennoch eine Kugel fand, war es klar, daß die Person, die sie gefunden, dieselbe vorher dort versteckt haben mußte. Das blutige Tuch und das Hemd bestärkten ebenfalls meine Annahme, denn bei genauer Prüfung stellte sich heraus, daß das vermeintliche Blut guter Bordeaux war.
    Als ich dies alles recht bedachte und auch die Ausgaben und ungewohnte Freigebigkeit des Herrn Biedermann bemerkte, wuchs mein Argwohn stündlich, doch sprach ich zu niemanden darüber.
    Mittlerweile stellte ich eifrige Nachforschungen nach dem Leichnam des Herrn Schüttelwert an und suchte aus naheliegenden Gründen an Orten, die möglichst weit von denen, die Herr Biedermann

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