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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Selbsterhaltungstrieb, dem Kausalitäts- wie dem Konstruktionssinn, kurz, mit jedem Organ, das irgendeiner Neigung, einem moralischen Gefühl oder einer Fähigkeit der reinen Intelligenz zum Ausdruck verhilft. Und in dieser Anordnung der Prinzipien des menschlichen Handelns sind die Anhänger Spurzheims, mit Recht oder mit Unrecht, zum Teil oder ganz, im Prinzip den Spuren ihrer Vorgänger gefolgt, indem sie alles aus der einmal mit Gewißheit erkannten Bestimmung des Menschen herleiteten und auf der Basis einer Absicht seines Schöpfers aufbauten.
    Es wäre weiser und sicherer gewesen, unsere Klassifizierung (wenn wir nun schon einmal klassifizieren müssen) auf den Handlungen aufzubauen, die der Mensch gewohnheitsmäßig, sowie jenen , die er gelegentlich, nur gelegentlich begeht, statt auf der Hypothese zu basieren, daß die Gottheit selbst ihn antreibt, sie zu vollbringen. Da wir Gott nicht in seinen sichtbaren Werken verstehen, wie könnten wir seine unbegreiflichen Gedanken erfassen, die jene Werke ins Leben rufen? Da wir ihn in seinen mittelbaren Schöpfungen nicht begreifen, wie könnten wir ihn in seinem nicht bedingten, unmittelbaren Walten, in den Phasen des Schaffens selbst erfassen?
    Eine Induktion a posteriori würde die Psychologen zu der Einsicht gebracht haben, daß sie als ein primitives Prinzip menschlichen Handelns ein paradoxes Etwas annehmen müßten, das wir in Ermangelung eines charakteristischeren Ausdruckes mit dem Bösen, Krankhaften, kurz – mit Perversität bezeichnen wollen. In meinem Sinne ist sie in der Tat ein Mobile ohne Motiv, ein nicht motiviertes Motiv. Unter ihrem Einfluß handeln wir ohne verständlichen Zweck, oder, sollte man dies für einen Widerspruch im Ausdruck halten, wir handeln aus dem Grunde, weil wir nicht handeln sol ten . In der Theorie kann kein Grund unvernünftiger sein, aber in der Praxis gibt es keinen stärkeren. Für Menschen von gewisser Veranlagung wird er bei gewissen Gelegenheiten absolut unwiderstehlich. Ich bin meines Lebens ebenso gewiß wie der Richtigkeit der Behauptung, daß das Böse, das Sündhafte oder Schädliche in irgendeiner Handlung oft die unwiderstehliche Macht ist, die uns zwingt, al ein zwingt, dieselbe zu begehen. Und dieser zügellose Hang, das Böse um des Bösen willen zu tun, spottet jeder Analyse, jeder Auflösung in tiefer liegende Elemente. Er ist ein radikaler, primärer, elementarer Beweggrund. Man wird mir wahrscheinlich entgegenhalten, daß, wenn wir auf einer gewissen Handlung bestehen, weil wir sie nicht begehen sollten, unser Betragen nur eine Modifikation dessen ist, wozu uns gewöhnlich der Selbsterhaltungstrieb verleitet. Doch wird ein einziger Hinweis genügen, um die Unrichtigkeit dieser Annahme klarzulegen. Dem Selbsterhaltungstrieb liegt als Entstehungsgrund die Notwendigkeit persönlicher Verteidigung zugrunde. Er ist unser Schutz gegen Ungerechtigkeit; sein Prinzip zielt auf unser Wohlbefinden, denn wir fühlen, sobald er sich zeigt, zugleich den Wunsch nach Wohlbefinden in uns erregt. Daraus folgt, daß der Wunsch nach Wohlbefinden sich zugleich mit jenem Prinzip einstellen muß, daß er nur eine Modifikation des Selbsterhaltungstriebes ist. Doch in dem Fall des gewissen Etwas, das ich Perversität benenne, ist dieser Wunsch nicht nur nicht  erregt, sondern ein sonderbares, geradezu entgegengesetztes Gefühl tritt ins Dasein.
    Jeder, der einmal mit sich zu Rate geht, wird die beste Antwort auf diesen Sophismus finden, und niemand, der seine Seele sorgfältig durchforscht, wird zu leugnen wagen, daß die fragliche Neigung eine primäre ist. Sie ist ebenso ausgesprochen wie unerklärlich.
    Es wird wohl kaum einen Menschen geben, der nicht in einem gewissen Augenblick von dem heißen Wunsch ergriffen wurde, seinen Zuhörer durch Umschreibungen zu quälen. Der Sprecher – der die allerbeste Absicht hat zu gefallen – weiß sehr wohl, daß er damit Mißfallen erregt; er spricht sonst gewöhnlich kurz, genau und klar, fühlt auch jetzt, wie sich ihm die Worte in lakonischer Deutlichkeit auf die Zunge drängen und wie er sie nur mit Mühe zurückhält; er fürchtet den Zorn des Zuhörers geradezu, und doch durchzuckt ihn der Gedanke, daß er mit ein paar Einschiebungen und Parenthesen diesen Zorn erregen kann. Und dieser einfache Gedanke genügt – die Anwandlung wird zur Anfechtung – die Anfechtung zur Begierde – die Begierde steigert sich zum unwiderstehlichen Bedürfnis – und das Bedürfnis befriedigt

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