Erzählungen
von Sherry unterscheiden«
»Und doch gibt es Dummköpfe, die behaupten, daß er sich ebenso gut auf Wein verstünde wie Sie!«
»Kommen Sie!«
»Wohin?«
»In Ihre Keller!«
»Nein, mein Freund; ich will Ihre Liebenswürdigkeit nicht mißbrauchen. Ich sehe, Sie sind eingeladen! Luchesi …«
»Ich bin nicht eingeladen, kommen Sie!«
»Nein, mein Freund! Die Einladung wäre ja auch noch das wenigste!
Aber die strenge Kälte verbietet, daß wir den Versuch machen. Die Gewölbe sind unerträglich feucht, die Wände ganz von Salpeter bedeckt.«
»Oh, kommen Sie nur! Die Kälte … das macht nichts! Amontillado? Wer weiß, was man Ihnen aufgedrängt hat! Und – Luchesi, der kann wirklich keinen Sherry von Amontillado unterscheiden – kann er nicht!«
Damit schob Fortunato seinen Arm unter den meinen, ich nahm eine schwarze Seidenmaske vor, hüllte mich fest in meinen weiten Mantel und ließ mich von ihm zu meinem Palast führen.
Von der Dienerschaft war niemand im Hause. Sie hatten sich alle davongemacht, um auch ihren Teil von der allgemeinen Karnevalsfreude zu bekommen. Ich hatte ihnen gesagt, daß ich vor dem frühen Morgen nicht zurückkehren werde, und den formellen Befehl gegeben, sich nicht aus dem Hause zu rühren. Dies genügte, wie ich wohl wußte, daß sie alle entwischten, sobald ich den Rücken gekehrt hätte.
Ich nahm zwei Fackeln von ihren Haltern, gab dem Fortunato eine und führte ihn durch eine ganze Zimmerflucht bis an das Tor, das in die Gewölbe führte. Dann ging ich eine lange, gewundene Treppe hinab und bat ihn, mir nur ja recht vorsichtig zu folgen. Wir kamen endlich unten an und standen auf dem feuchten Boden der Katakomben der Montresor.
Der Gang meines Freundes war schwankend, und die Schellen an seiner Kappe klingelten bei jedem Schritt.
»Das Faß?« sagte er.
»Es liegt weiter unten«, antwortete ich, »aber sehen Sie nur, wie das giftige weiße Gespinst an den Wänden glänzt!«
Er wandte sich mir zu und blickte mir mit glasigen Augen, aus denen Tränen der Betrunkenheit sickerten, ins Gesicht. »Salpeter?«
fragte er nach einer Weile, nachdem er einen furchtbaren Hustenanfall niedergekämpft hatte.
»Ja … Salpeter!« antwortete ich. »Aber wie lange haben Sie denn schon diesen schrecklichen Husten?«
Wieder packte es ihn, und während mehrerer Minuten war es meinem armen Freund unmöglich, zu antworten.
»Es ist nichts«, meinte er endlich.
»Kommen Sie«, sagte ich mit Entschiedenheit, »wir wollen wieder hinaufgehen. Ihre Gesundheit ist zu kostbar. Sie sind reich, geachtet, werden bewundert, geliebt; Sie sind glücklich, wie ich es einst war.
Um mich wäre es weiter nicht schade. Wir wollen wieder hinaufsteigen. Ich könnte es nicht verantworten, wenn Sie krank würden. Überdies kann ich ja Luchesi …«
»Genug!« antwortete er. »Der Husten hat nichts zu sagen, hehe! Der Husten wird mich nicht umbringen, ich werde schon nicht davon sterben.«
»Das hoffe ich auch«, gab ich zurück, »ich hatte auch nicht die Absicht, Sie unnötig zu beunruhigen. Aber Sie sollten doch vorsichtig sein. Ein Schluck von diesem Medoc übrigens – der wird vor der Feuchtigkeit schützen.«
Ich nahm eine Flasche von dem Lagerbrett und entkorkte sie.
»Trinken Sie!« sagte ich und reichte sie ihm.
Er blinzelte mir zu und brachte sie an seine Lippen. Dann machte er eine Pause und blinzelte mir wieder zu, während seine Schellen klingelten. »Ich trinke auf die Verstorbenen, die unter uns ruhen!« lallte er.
»Und ich auf Ihr langes Leben.«
Dann nahm er wieder meinen Arm, und wir schritten weiter.
»Die Gewölbe«, meinte er nach einer Weile »sehr groß … sehr …«
»Die Montresors«, erwiderte ich, »waren eine zahlreiche Familie.«
»Ich habe vergessen … Ihr Wappen vergessen …«
»Ein großer goldener Fuß in einem azurnen Felde; der Fuß zertritt eine Schlange, die ihre Zähne in seine Ferse gegraben hat.«
»Und … Devise?«
»Nemo me impune lacessit.«
»Schön!« sagte er, »schön!«
Der Wein sprühte in seinen Augen, und die Schellen klingelten.
Auch meine Phantasie wurde durch den Medoc erhitzt. Wir waren an ganzen Wällen aufgeschichteten Gebeins, dann wieder an Fässern und Fäßchen vorbei – in das Innerste der Katakomben gelangt. Ich blieb stehen und faßte Fortunato am Arm.
»Sehen Sie doch nur«, sagte ich, »wie der Salpeter immer dichter wird. Er hängt wie Moos an den Wänden. Wir befinden uns jetzt gerade unter dem Bett des Flusses.
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