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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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denn die Elemente dieser Verbindungen sind die schönsten, die die Erde dem Künstler überhaupt darbietet. In der Vielgestalt und Farbigkeit der Blumen und Bäume erkannte Ellison den mittelbarsten und kräftigsten Willen der Natur zu physischer Schönheit. Und zu der Leitung und Konzentration dieses Willens – oder besser, zu seiner Anpassung an die Augen, die ihn auf Erden erkennen sollten, glaubte er sich verpflichtet, die besten Mittel anzuwenden und fruchtbringend zu arbeiten: um so nicht nur seinen Beruf als Dichter zu erfüllen, sondern auch den erhabenen Zwecken zu dienen, um derentwillen die Gottheit dem Menschen das poetische Gefühl gegeben habe.
    »Seine Anpassung an die Augen, die ihn auf Erden erkennen sollen.«
    Durch die Erklärung, die Ellison diesem Satz gab, wurde mir etwas offenbar, das mir lange Zeit ein Rätsel geschienen – ich meine die Tatsache (die nur ein Ignorant bestreiten kann), daß in der Natur keine solche Verbindung von Szenerien besteht, wie ein genialer Maler sie schaffen kann. Man findet in der Wirklichkeit keine Paradiese, wie sie auf der Leinwand Claude Lorrains erstrahlen. In der entzükkendsten natürlichen Landschaft wird man immer einen Fehler oder ein ›Allzuviel‹, viele Fehler, viele ›Allzuviel‹, entdecken. Während die einzelnen wesentlichen Bestandteile der Geschicklichkeit jedes Menschenkünstlers Hohn sprechen, wird die Zusammensetzung dieser Teile stets der Verbesserung bedürfen. Kurz, auf der ganzen Oberfläche der Erde wird man keinen Punkt finden können, von dem aus gesehen die Komposition der Landschaft für ein künstlerisches Auge nicht irgendeinen Fehler enthält. Und doch, wie unverständlich ist dies! Man hat uns mit Recht gelehrt, in jeder anderen Beziehung die Natur als vollkommen zu verehren, und wir fürchten uns, bei der Nachbildung ihrer Einzelheiten mit ihr zu rivalisieren. Wer wagte es, die Farben der Tulpen nachzuahmen oder die Proportionen der Lilie zu verbessern? Die Kritik, die von der Skulptur oder Porträtkunst behauptet, daß hier die Natur mehr geadelt und idealisiert als nachgeahmt wird, befindet sich im Irrtum. Keine gemalte oder plastische Nachbildung von Elementen menschlicher Schönheit kann mehr tun, als sich der lebenden, atmenden Schönheit nähern . Nur auf die Landschaft allein kann dieses Prinzip der Kritik mit Recht Anwendung finden, und da sie seine Wahrheit hier fühlte, trieb die unbesonnene Neigung zu Verallgemeinerungen sie dazu, dasselbe auch auf allen anderen Kunstgebieten für richtig zu halten. Da sie seine Wahrheit fühlte , sagte ich, denn das Gefühl führt uns niemals zu erkünstelter Überzeugung und Trugschlüssen. Die Mathematik hat keine absolutere Beweiskraft, als das Kunstgefühl für den Künstler hat. Er glaubt nicht nur, sondern weiß positiv, daß diese und jene scheinbar willkürliche Zusammenstellung seiner Stoffe die wahre Schönheit zum Resultat haben wird. Seine Gründe jedoch sind noch nicht bis zur Formel gereift. Einer Analyse, die tiefer sieht als alle bis jetzt bekannten, bleibt es überlassen, diese Gründe vollständig zu erforschen und zu formulieren. Immerhin ist der Künstler schon heute durch die Stimme all seiner Brüder von der Richtigkeit seiner instinktiv gefaßten Meinungen vollständig überzeugt. Stellen wir uns einmal eine fehlerhafte Komposition vor, und nehmen wir an, daß man ihre Anordnung verbessert und daß man die Verbesserung allen Künstlern der Welt zur Beurteilung vorlegt. Ein jeder von ihnen wird ihre Notwendigkeit zugeben. Mehr noch! Um dem Fehler der betreffenden Komposition abzuhelfen, würde jeder der Künstler die gleiche  Verbesserung vorgeschlagen haben.
    Ich wiederhole, daß allein in der Komposition der Landschaft die physische Natur der Vervollkommnung fähig ist, und daß ich das Geheimnis, weshalb sie gerade in diesem einen Punkte der Verbesserung fähig erscheint, nicht lösen konnte. Meine eigenen Gedanken hierüber lagen in dem Glauben beschlossen, daß der Urwille der Natur die Oberfläche der Erde so geschaffen habe, daß sie in jedem Punkte dem Gefühl des Menschen für die Vollkommenheit in der Schönheit, dem Erhabenen oder dem Malerischen Genüge tue, daß jedoch diese ihre Urabsicht durch die bekannten geologischen Umwälzungen vereitelt worden sei – durch die Umwälzungen von Formen und Farbenzusammenstellungen, in deren Verbesserungen und Mischungen die Seele aller Kunst liegt. Die überzeugende Kraft dieser Annahme wurde jedoch durch

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