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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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größeres, positiveres Glück, als es Madame de Staël je in ihren hingerissenen Träumereien blühen sah.
    Ich fürchte, es wird mir unmöglich sein, dem Leser eine deutliche Vorstellung von den Wundern zu geben, die mein Freund ausführte.
    Ich möchte sie gerne beschreiben und schrecke doch vor der Schwierigkeit zurück und zögere zwischen der Beschreibung von Einzelheiten und dem Gesamtbilde. Vielleicht ist es das beste, die beiden in ihren Extremen zu vereinigen.
    Herr Ellison richtete seine Aufmerksamkeit natürlich zuerst auf die Wahl eines geeigneten Ortes. Anfangs dachte er an die üppige Natur der Inseln im Stillen Ozean. Schon hatte er sich zu einer Reise in die Südsee entschlossen, als eine mit Nachdenken zugebrachte Nacht genügte, um diesen Plan wieder fallen zu lassen.
    »Wenn ich ein Misanthrop wäre«, sagte er, »so würde ich einen solchen Ort wählen. Die gänzliche Einsamkeit, die vollkommene Abgeschlossenheit, die Schwierigkeit, dort hin- und wieder zurückzugelangen, wäre in diesem Falle der größte Reiz. Doch bin ich kein Timon. Ich wünsche Ruhe, doch nicht den Druck der Einsamkeit. Ich muß es stets in meiner Gewalt haben, die Dauer meiner Zurückgezogenheit bestimmen zu können. Es werden sehr oft Stunden kommen, in denen ich der Sympathie poetischer Geister für mein vollendetes Werk bedarf. Ich muß einen Ort finden, der nicht allzuweit entfernt von einer großen Stadt liegt, deren Nähe mir im übrigen auch die Ausführung meines Werkes wesentlich erleichtern wird.«
    Auf der Suche nach einem solchen Orte reiste Ellison mehrere Jahre umher, und ich hatte den Vorzug, ihn begleiten zu dürfen.
    Unzählige Orte, die mich mit Entzücken erfüllten, schienen ihm aus Gründen, die mich nach einigem Nachdenken stets überzeugten, ungeeignet. Endlich gelangten wir an ein hochgelegenes Tafelland von wunderbarer Fruchtbarkeit und Schönheit, das einen Rundblick gewährte, der an Weite dem, welchen man vom Gipfel des Ätna hat, nicht viel nachstand und sowohl meiner als Ellisons Meinung nach die weitgerühmte Aussicht von jenem Berge in allen Dingen des wahrhaft Malerischen übertraf.
    »Ich weiß sehr wohl« sagte er einmal mit einem Seufzer des Entzückens, nachdem er das Bild wohl eine Stunde lang wie gebannt betrachtet hatte, »ich weiß sehr wohl, daß in meiner Lage neun Zehntel aller Menschen hier zufrieden bleiben würden. Dies Panorama ist wirklich wundervoll, und ich würde mich in Frieden an ihm erfreuen, wenn es nicht eben so übermäßig herrlich wäre. Alle Architekten, die ich kenne, hatten die Neigung, um der Aussicht willen ihre Gebäude auf der Spitze eines Hügels oder Berges zu errichten. Es liegt auf der Hand, daß dies eine schlechte Spekulation ist. Größe jeder Art, doch besonders die des Raumes, macht unruhig, regt auf – ermüdet auf die Dauer und drückt nieder. Es kann nichts Besseres geben für eine gelegentlich gesehene Landschaft – für eine, die man immer vor Augen haben muß, gibt es nichts Schlimmeres. Die für den beständigen Anblick unangenehmste Größe ist die der Ausdehnung und die schlimmste Ausdehnung der Raum. Sie steht in Widerspruch mit dem Gefühl und dem Bedürfnis nach Abgeschlossenheit, das wir zu befriedigen wünschen, wenn wir uns aufs Land zurückziehen . Wenn wir von dem Gipfel eines Berges ausschauen, können wir der Empfindung nicht wehren, draußen in der Welt zu sein. Der Seelenkranke meidet weite Aussichten wie die Pest.«
    Erst gegen Ende des vierten Jahres unserer Nachforschungen fanden wir eine Gegend, die Ellison zu befriedigen schien. Es ist ohne Zweifel überflüssig, zu sagen, wo sich diese Gegend befand. Der kürzlich erfolgte Tod meines Freundes öffnete sein Besitztum einer gewissen Klasse von Besuchern und gab dem Gute von Arnheim eine Art geheimer, fast feierlicher Berühmtheit, die, obwohl sie bedeutend größer war, derjenigen glich, die Fonthil so lange Zeit hindurch auszeichnete.
    Gewöhnlich begab man sich auf dem Flusse nach Arnheim. Man verließ die Stadt am frühen Morgen. Während des Vormittags glitt man an Ufern von ruhiger und traulicher Schönheit vorüber, wo auf den glänzend grünen Wiesen Scharen weißwolliger Schafe weideten.
    Nach und nach schwand der Eindruck von Kultur zu dem eines bloß pastoralen Lebens hin. Dieser änderte sich allmählich in einen Eindruck von Abgeschlossenheit, der sich bald zu einem vollkommenen Bewußtsein von Einsamkeit steigerte. Als sich der Abend nahte, wurde der Fluß

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