Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
hören. Laß daher, ich bitte dich, diese Männer abtreten.«
Als sie sich entfernt hatten, redete er Tarek in arabischer Sprache an.
»Wisse, o Führer des Heeres des Islam« sagte er, »daß die Kinder Israels, die in Toledo ansässig sind, mich zu dir abgesendet haben. Wir sind von den Christen in der Zeit ihres Glückes unterdrückt und verhöhnt worden, und nun haben sie, da sie von der Belagerung bedroht sind, uns alle unsere Vorräthe und unser Geld genommen; sie haben uns gezwungen, wie Sklaven zu arbeiten, um ihre Mauern auszubessern, und sie nöthigen uns, Waffen zu tragen und einen Theil der Thürme zu bewachen. Wir verabscheuen ihr Joch und sind bereit, so fern du uns als Unterthanen aufnehmen und uns freie Ausübung unseres Glaubens und den Genuß unseres Eigenthums zugestehen willst, die Thürme, welche wir bewachen, in deine Hände zu liefern und dir einen sichern Weg in die Stadt zu zeigen.«
Dieser Antrag überraschte den arabischen Feldherrn auf das Freudigste, und er erzeigte dem Rabbi große Ehre und gab Befehl, ihn in kostbare Gewänder zu kleiden und seinen Bart mit Essenzen von hohem Wohlgeruch zu salben, so daß er der Duftreichste in seinem ganzen Stamme war; und er sagte:
»Halte Wort und setze mich in den Besitz der Stadt, und ich werde Alles und mehr thun, als du begehrt hast, und werde dich und deine Brüder mit unzählbaren Schätzen überhäufen.«
Nun wurde unter ihnen der Plan verabredet, wie die Stadt verrathen und übergeben werden sollte.
»Wie kann ich mich aber« sagte Tarek »versichern, daß dein ganzer Stamm erfüllen wird, was du versprochen hast, und daß dies nicht eine Kriegslist ist, mich und die Meinigen in eure Gewalt zu bekommen?«
»Deine Sicherheit soll diese sein« sagte der Rabbi: »zehn der vornehmsten Israeliten werden in dieses Zelt kommen und als Geiseln hier verbleiben.«
»Dies genügt!« sagte Tarek und leistete einen Eid, daß er halten wolle, was er versprochen. Und die jüdischen Geiseln kamen und lieferten sich in seine Hände.
In einer dunkeln Nacht näherte sich eine auserlesene Schaar sarazenischer Krieger dem von den Israeliten bewachten Theil der Stadtmauern; sie wurden heimlich durch ein kleines Pförtchen eingelassen und versteckten sich in einem Thurme. In derselben Zeit legten sich zehntausend Araber in den Felsen und dem Buschwerk, auf einer Anhöhe der andern Seite des Flusses, wo man die Stadt übersehen konnte, in Hinterhalt.
Am nächsten Morgen verwüstete Tarek die Gärten des Thales, warf Feuerbrände in die Höfe und Hütten, schlug dann sein Lager ab und zog weg, als wenn er die Belagerung aufgäbe.
Mit dem größten Staunen blickten die Einwohner Toledo’s von ihren Mauern und Zinnen auf die sich zurückziehenden Schaaren des Feindes und wagten es kaum, an ihre unerwartete Befreiung zu glauben. Noch ehe die Nacht einbrach, war nicht ein Turban, nicht eine Lanze mehr auf der weiten Vega zu sehen.
Die fromme Bewohnerschaft von Toledo schrieb al1 dies der besondern Vermittlung ihrer Schutzheiligen Leocadia zu; und am nächsten Tage – es war der Palmsonntag – zogen sie in feierlicher Prozession – Männer, Frauen und Kinder – in die Kirche dieser Heiligen, welche außerhalb der Stadtmauern liegt, um ihr für den wunderbaren Schutz Dank zu sagen.
Als ganz Toledo herausgeströmt war und mit Kreuz und Reliquien und feierlichem Gesange der Kirche entgegen zog, brachen die Araber, welche in dem Thurme versteckt waren, hervor und schlossen und verrammelten die Thore der Stadt; andere zerstreuten sich in den Straßen und machten alle nieder, die sich ihnen widersetzten; andere eilten auf die höchste Höhe der Veste und zündeten ein Feuer an und ließen die Rauchsäule hoch zum Himmel hinan steigen.
Bei’m Anblick dieses Zeichens erhoben sich die Araber, welche jenseits des Flusses im Hinterhalt lagen, mit großem Geschrei und griffen die Menge an, welche sich zu der Kirche der heiligen Leocadia drängte. Hier entstand ein furchtbares Gemetzel, obgleich das Volk ohne Waffen war und keinen Widerstand leistete; und in den alten Chroniken wird erzählt, der verrätherische Bischof Oppas sei es gewesen, der die Moslemen ihrer Beute entgegen geführt und sie zu diesem Blutbad angefeuert habe. Der fromme Leser, sagt Fray Antonio Agapida, wird eine solche Ruchlosigkeit schwerlich glauben; allein es gibt nichts Giftigeres, als den Haß eines abtrünnigen Priesters; denn das Beste, was diese Welt hat, wird, wenn es sich dem Bösen
Weitere Kostenlose Bücher