Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
erlesene Schaar, welche den Ausfall wagen wollte, und der Oberbefehl wurde dem Grafen Tendero, einem gothischen Ritter von erprobter Tapferkeit, anvertraut. Nachdem sie eine feierliche Messe gehört und den Segen des Geistlichen empfangen hatten, zogen sie in möglichster Stille aus dem Thore. Man ließ sie unbelästigt an dem Hinterhalte in dem Steinbruche vorüber. Als sie sich dem Lager der Moslemen näherten, schien Alles still und ruhig; denn das Fußvolk war in Hohlwegen und Schluchten versteckt, und jeder arabische Reiter lag bewaffnet neben seinem Rosse. Die Wachen auf den Außenposten warteten, bis die Christen ihnen ganz nahe waren, und flüchteten sich dann in scheinbarer Bestürzung.
Graf Tendero gab das Zeichen zum Angriff, und die Christen stürzten voller Zuversicht voran. In einem Augenblick brach auf allen Seiten ein Sturm von wirbelnden Trommeln, schmetternden Trompeten und grellem Kriegsgeschrei los. Ein Heer schien aus der Erde heraufzusteigen; Reiterschaaren griffen sie donnernd von vornen an, während der Steinbruch Legionen bewaffneter Krieger in ihrem Rücken ausströmte.
Das Getöse des furchtbaren Kampfes, der statt fand, wurde auf den Mauern der Stadt gehört und durch Jubelruf beantwortet; denn die Christen waren der Meinung, es käme von dem Schrecken und der Verwirrung des arabischen Lagers. Nach kurzer Weile jedoch wurden sie durch diejenigen enttäuscht, welche, todtenbleich vor Schrecken und mit Wunden bedeckt, aus dem Gefechte entflohen.
»Die Hölle selbst« riefen sie »ist auf der Seite der Ungläubigen; die Erde speit Krieger aus und Rosse, um ihnen beizustehen. Wir haben nicht mit Menschen, sondern mit Teufeln gefochten.«
In diesem schrecklichen Gemetzel wurde der größere Theil der auserlesenen Truppen, welche bei dem Ausfalle waren, in Stücke gehauen; denn das Gewitter des Kampfes, welches so plötzlich über sie hereingebrochen war, hatte sie verwirrt. Graf Tendero focht mit verzweifeltem Muthe und fiel, mit Wunden bedeckt. Sein Körper wurde am nächsten Morgen unter den Erschlagenen liegend und mit vielen Lanzenstichen durchbohrt gefunden. Der Renegat Magued schlug ihm das Haupt ab und band es an den Schweif seines Pferdes und begab sich mit dieser barbarischen Trophäe zu dem Zelte Musa’s; allein die Feindschaft des arabischen Feldherrn war von minder bösartiger Natur. Seinem Befehle zufolge mußte das Haupt und der Körper auf eine Bahre gelegt und mit geziemender Achtung behandelt werden.
In dem Laufe des Tages kam ein Zug von Priestern und Mönchen aus der Stadt an; sie baten um Erlaubniß, die Leiche des Grafen aufsuchen zu dürfen. Musa übergab ihnen dieselbe und fügte viele kriegsmännische Lobeserhebungen über die Tapferkeit dieses guten Ritters hinzu. Die Geistlichen bedeckten sie mit einem Tuche von Goldstoff und trugen sie in düstrer Prozession in die Stadt zurück, wo sie mit lautem Wehklagen empfangen wurde.
Die Belagerung wurde nun mit großem Eifer betrieben, und wiederholte Angriffe wurden gemacht – allein vergeblich. Musa überzeugte sich endlich, daß die Mauern zu hoch waren, um sie ersteigen, und die Thore zu stark, um sie ohne die Hülfe von Maschinen erbrechen zu können; und er ließ von den Angriffen ab, bis die nöthigen Werkzeuge hergerichtet werden konnten. Der Befehlshaber der Stadt vermuthete nach diesem Aufhören der kriegerischen Thätigkeit, der Feind schmeichle sich, den Platz durch Hungersnoth in die Enge zu treiben. Er ließ demzufolge große Körbe mit Brod über die Mauern der Stadt werfen und sandte Boten an Musa, welche ihn benachrichtigten, wenn es seinem Heere an Brod fehle, so würde er es damit versehen, da er in seinen Speichern hinreichendes Getraide für eine zehnjährige Belagerung habe. [Fußnote:
Bleda , Chronica, lib. I, cap. 11.
– Der Verf. ]
Die Bürger aber hatten den kühnen und ungezähmten Geist ihres Befehlshabers durchaus nicht. Als sie bemerkten, daß die Moslemen furchtbare Maschinen zur Zerstörung ihrer Mauern bauten, verloren sie allen Muth, umringten den Befehlshaber mit Geschrei und Wehklagen und zwangen ihn, Leute auszusenden, welche wegen der Uebergabe unterhandeln sollten.
Mit Beben und Zagen erschienen diese Abgesandten vor Musa; denn sie konnten nur einen grausamen und furchtbaren Krieger in dem Manne vermuthen, welcher das Land mit solchem Schrecken erfüllt hatte: zu ihrem großen Erstaunen erblickten sie aber einen alten, ehrwürdigen Mann mit weißem Haar, einem schneeigen Bart
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