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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sehr lebendig, ja, der Wolleball gab unter dem harten lieblosen Griff kleine Quietschtöne von sich. Den Kindern stockte der Atem und sie erblaßten. Mein Gott, es war ein Hund! Ein ganz kleines Hunderl, ein Hundebaby, und höchstens acht Tage alt, denn es schien seine braunen, törichten Augen gerade erst geöffnet zu haben. Der alte Kerl, der indessen ungerührt und unbekümmert um das Winseln des Tierchens die freien Bindfadenenden um den runden Hundebauch geschlungen hatte, so daß Hund und Stein ein Paket bildeten, sah sich plötzlich von einer lebenden Mauer umringt. Es war — wie immer — Leo Plischke, der sich zum Wortführer aufwarf; mit einer Mischung von Sächsisch und Bayerisch, das langsam in seinen Wortschatz einsickerte.
    „Sie, was machen Sie mit dem Hunderl da?“
    „Das geht euch Rotzer wohl einen Dreck an!“ knurrte der Alte mürrisch. Der kleine Hund, mit dem Rücken an den scharfkantigen Betonbrocken gefesselt, winselte und bewegte die Pfoten mit den rosigen, samtweichen Ballen, als flehe er die Kinder um Hilfe an.
    „Das geht uns schon was an!“ rief Leo Plischke mit seiner hohen, gequetschten Stimme.
    „Jawohl, das geht uns schon was an!“ schrien die Kinder im Chor und rückten näher. „Das geht uns alle was an! Und wir möchten wissen, was Sie mit dem Hunderl machen wollen!“
    „Ersäufen, ihr Rotzpippen, damit ihr’s wißt...“, bequemte sich der alte Strolch zu antworten. Er wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab und rieb ihn an seiner staubigbraunen Cordhose trocken. Ein paar Kinder schrien auf.
    „Ertränken?!“ stammelte Friedl Häfner fassungslos, „das kleine Hunderl wollen Sie ertränken?“
    „Jawoll“, brummelte der Alte, „weil die Hündin sieben Stück geworfen hat und weil das Gesäuge nur für sechs langt. Und weil dieser der schwächste ist. — Und nun schleicht euch, Mistfratzen!“
    Aber sie gingen nicht, im Gegenteil, sie rückten noch näher heran und drängten sich enger aneinander. Die Tuchfühlung machte ihnen Mut.
    „Binden Sie den Hund los!“ befahl Leo Plischke. In seinem blassen Gesicht brannten zwei rote Flecken.
    „Ja!“ schrien die Kinder, „er soll den Hund losbinden!!“
    „Ich hab von der Frau, die wo ihn mir zum Ertränken gegeben hat, zwei Mark bekommen, daß ich ihn ersäuf...“, knurrte der Alte, aber sein Protest ging in dem wütenden Geschrei der Kinder unter, daß er den Hund augenblicklich losmachen solle. Es war etwas über sie gekommen, was einer zornigen, heiligen Raserei glich. Und plötzlich bückte sich Leo Plischke und hob einen Stein auf, einen harten, glatten Flußkiesel, der fast so groß war wie seine Faust. Und als ob er damit ein Signal gegeben hätte, bückten sich alle Kinder — zehn Buben und sechs Mädeln — und hatten, als sie mit wilden Augen wieder auftauchten, große Kiesel in den Fäusten.
    „Hehehehehe!“ machte der Alte und sah sich gehetzt um; aber es war weit und breit kein Mensch zu erblicken, der ihm geholfen hätte. Er packte Stein und Hund mit seinen hornigen Krallen, vielleicht, um die Knoten um den nackten runden Hundebauch zu lösen, denn die Kiesel in den Kinderfäusten verfehlten auf den alten Landstörzer, der in seinem Wanderleben auf Bauernhöfen oder in abgelegenen Obstgärten oft genug die Bekanntschaft mit ungebrannter Asche oder handgerechten Steinen gemacht hatte, nicht ihren Eindruck.
    Zu spät! —
    Ein Stein wirbelte durch die Luft, ein schwerer faustgroßer Stein, and traf wie ein Hammerschlag fingerbreit über den Augen die Stirn des Alten. Er krachte mit einem dumpfen, scheußlichen Geräusch auf die Schädelkapsel, und während der Alte noch, als begriffe er nicht, was ihm geschehen sei, die Kinder aus weiß hervorquellenden Augäpfeln anstarrte, zerschmetterte ihm der zweite Wurf die Schläfe. — Beide Steine hatte der Idiot geworfen. Den anderen Kindern war es wohl nur um die Drohung zu tun gewesen. Aber der arme, blöde Bub vom Pflanz hatte Ernst gemacht.
    Der alte Mann, in dessen Gesicht und Augen etwas erlosch, als würde eine Kerze ausgeblasen, sank mit einer halben Drehung zur Seite. Die Kinder ließen die Hände sinken. Die Steine, die sie noch in den Fingern hielten, klickten herab, — sie starrten aus entsetzten Augen auf den alten Mann, von dessen Schläfe ein dünner Blutfaden herniederrann und auf den Boden tropfte.
    „Mei’...! Hin, wenn der ist...!“ flüsterte eins von ihnen. Nur der Pflanz-Bub zappelte von einem Bein aufs andere, stieß

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