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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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waren sie eh wie durchgedreht. Aber in der Garage vom Strohmayr, wo er als Werkmeister beschäftigt war, hatte er gehört, daß man in den Achenauen einen Toten gefunden hatte, — und da war er nun doch stutzig geworden. So kam es, daß der Untersuchungsrichter Schnappinger zehn Minuten später zur Schule aufbrach, sich alle Kinder, deren Namen Herr Häfner genannt hatte, vom Rektor Barth ins Konferenzzimmer holen ließ und sie freundlich wie ein guter Onkel empfing und ausfragte. Wachtmeister Klotz mußte sogar zum Kiosk vom Stelzl laufen und Herrn Schnappinger zwei Tafeln Schokolade holen, die der Untersuchungsrichter in kleine Rippen brach und nacheinander an die Kinder, so wie sie zu ihm kamen, verteilte.
    Das, was sie ihm bei diesem freundlichen Verhör ohne Scheu und unumwunden erzählten, stimmte bei allen und in allen Punkten so völlig überein, daß es über die Frage, wer der Täter war, nach kurzer Zeit keinen Zweifel mehr geben konnte. Und noch weniger, als man den Buben und den kleinen Hund im Hof der Metzgerei Pflanz entdeckte, wo sie gemeinsam aus einer flachen Aluminiumschüssel Milch schleckten. Es war für Herrn Schnappinger, der gern im ,Lamm’ verkehrte und mit dem Lammwirt schon manchen Tarock gespielt hatte, keine leichte und angenehme Aufgäbe, den Eheleuten Pflanz zu erklären, was geschehen war — und die sofortige Einweisung des Buben in eine Pflegeanstalt zu fordern.
    Als Lothar Lockner in den Verlag zurückkam, erfüllte die rauschende Musik der Rotation schon das Haus. Herr Lobmüller erwartete Lockner in dessen Redaktionsbüro.
    „No, was gibt’s?“ brüllte er ihm entgegen.
    „Ich fürchte, wir werden die Maschine stoppen müssen...“, und er erzählte dem alten Herrn die Ereignisse der vergangenen Stunden in fliegender Eile. Der alte Lobmüller — er hatte die Sechzig immerhin schon seit einiger Zeit überschritten und sich in seinem Leben nichts entgehen lassen — kratzte sich den spärlichen Haarkranz, daß die Schuppen weiß auf den Kragen rieselten.
    „Sakra*sakra-sakra!“ krächzte er, „dem Pflanz sein depperter Bub! Tatatatata! Und in sechs Wochen heiratet dem Pflanz seine Elisabeth den Salteneder Franz, den ich selber übers Taufbecken gehalten hab... Sauerei verdammte!“ — Er saugte an seiner erloschenen Pfeife und schob sie mit einem energischen Ruck in die Hosentasche.
    „Wissen Sie, Lockner, was wir tun? — Nix tun wir!! In der nächsten Nummer bringen wir eine kurze Notiz, zwanzig oder dreißig Zeilen, so elegant aus der linken Hand — Sie kriegen das schon hin — und damit hat sich’s, verstehn’s...“
    „Wie Sie meinen, Herr Lobmüller…“, murmelte Lothar Lockner und ließ sich anmerken, daß er von dieser Lösung nicht gerade beglückt war; „es wäre halt mal ‘ne Rosine gewesen.“
    Der Chef hieb sich den rutschenden Kneifer auf die Nase: „Für unseren Abonnementspreis langt es, wenn wir Brot backen!“
    Lockner ging in die Rotation hinunter. Die Trägerinnen, zumeist ältere Frauen, die sich zu ihren Witwenrenten noch etwas hinzuverdienten, bündelten die Zeitungsstöße, die der Transporteur zu je fünfzig Exemplaren auf die Packtische auswarf. Der Maschinenmeister Blumschein, der gleichzeitig auch die Gießerei und die Maternpresse besorgte, winkte ihm zu und reichte ihm ein Probeexemplar. Sie druckte sauber, die alte MAN, auch ihre Bildwiedergabe konnte sich sehen lassen. Er nahm das druckfeuchte, stark nach Farbe riechende Papier entgegen. Für ihn war der Geruch der Druckerschwärze Parfüm. Und merkwürdig, so oft man es auch immer wieder erlebte, jedes Mal, wenn die Rotation die ersten Exemplare einer neuen Nummer herausschleuderte, fühlte man sich ein wenig erschöpft und zugleich irgendwie erleichtert; am liebsten hätte man ein bißchen gegackert wie die Henne nach dem Eierlegen.
    Lothar Lockner ging zu seinem Büro zurück und bereitete sich innerlich auf die zwölfseitige Samstagausgabe vor. Die Lokalspitze hatte er schon im Kopf. ,Vorgärten im Frühling.’ — Ein stimmungsvolles Idyll, zu dem ihm der alte Kropfschneider Dr. Hopfenbauer neulich die Anregung gegeben hatte. Man mußte es mit ziemlich viel Schmalz ausbraten, aber das hatte man ja schließlich gelernt. Er zündete sich eine Zigarette an, blies die blauen Wölkchen in die Luft, setzte sich an die Maschine und hatte das lyrische Elaborat hinter sich, als Fräulein Klühspieß, die Redaktionssekretärin, vom Mittagessen zurückkam. Sie war nicht mehr ganz jung

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