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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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im Haus sauer!“
    „Ich fürchte, Herr Lockner, wenn Sie das zwanzig Jahre lang gemacht haben werden, dann wird Ihnen auch die Luft ausgehen…“
    Er streckte die Beine unter den Schreibtisch und lehnte sich in den alten, lederbezogenen Armstuhl zurück, den Generationen von Redakteuren abgewetzt hatten: „Sagen Sie mal, Fräulein Klühspieß, es lagen doch eine Menge von Bewerbern um dieses Pöstchen im Rennen...“
    „Über vierzig, Herr Lockner!“
    „Und Sie als die rechte Hand vom Chef müßten es doch eigentlich wissen: weshalb habe gerade ich das Ziel der Klasse erreicht?“
    „Nun ja“, murmelte sie und machte dazu ein Gesicht, als hätte er ihr die Aufgabe gestellt, ein Welträtsel zu lösen, „wahrscheinlich haben dem Chef Ihre Stilproben besonders gut gefallen...“
    „Tatata!“ machte er, „die hatten doch nun absolut Großstadtzuschnitt. Und das ist doch das Letzte was hier verlangt wird — Frechheit — Spritzigkeit — schräge Musik...“
    „Und dann waren Sie einer der jüngsten Herren. Und akademisch nicht gebildet. Kein Doktor. Sie wissen ja, daß es der Chef mit den Akademikern nicht sehr hat…“
    „Aus Sparsamkeitsgründen also, wie?“
    „Das natürlich auch. Aber hauptsächlich wohl deswegen, weil ihm Doktor-Redakteure zu viele Fremdwörter gebrauchen und ihm überhaupt zu anspruchsvoll sind, ich meine, in bezug auf das Niveau von solch einem Provinzblättchen...“ Sie begann unter seinem Blick zu stottern und brach verwirrt ab.
    „Ah, ich verstehe, er hat einfach den Dümmsten genommen!“
    „Nein!“ rief Fräulein Klühspieß und preßte die Hände gegen ihre flache Brust, „so dürfen Sie das nicht auffassen, und das habe ich damit auch nicht sagen wollen! Wenn unsere Wahl schließlich auf Sie gefallen ist, dann gewiß nur deshalb, weil wir der Meinung waren, Sie würden sich am wendigsten in die hiesigen Verhältnisse einarbeiten.’ - Sie strich die Papierschlangen glatt, die in ihren Händen raschelten, und errötete wolkig. „Ich verrate Ihnen wohl kein Geheimnis, Herr Lockner, wenn ich ihnen sage, daß der Chef mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden ist.“
    „Freut mich, freut mich“, murmelte er, „wenn es so ist, dann kann ich den Alten ja mal wieder wegen Vorschuß anzapfen...“
    „Haben Sie schon Ihr Spesenkonto abgehoben?“
    „Was für ein Spesenkonto?“
    „Sie müssen doch mal jemand zu einem Glas Bier einladen, Herr Böhlke bekam dafür monatlich fünfzig Mark.“
    „Da schau her! Davon hat mir der Alte kein Wort gesagt…“
    „Überlassen Sie das mir, ich erledige das mit dem Chef. Es wäre ja noch schöner, wenn er Ihnen dieses Spesenkonto vorenthalten würde!“
    „Sie sind ein Engel, Fräulein Klühspieß, ich werde Sie heute abend in mein Nachtgebet einschließen!“ Er warf ihr mit zwei Fingern einen Kuß zu und hoffte, sie sei mit ihren einundvierzig Jahren aus dem Alter heraus, um diese Geste allzu ernst zu nehmen. Wahrscheinlich hätte er die flotten Redensarten und Gebärden unterlassen, wenn er geahnt hätte, daß das Photo, das er zugleich mit seinem Bewerbungsschreiben eingesandt hatte, daheim in der Schublade ihres Nachtkastls lag. —
    Im Sekretariat räusperte sich jemand laut und vernehmlich; es klang, als habe der Besucher schon mehrere Zeichen für seine AnWesenheit gegeben, ohne bisher Beachtung gefunden zu haben. Fräulein Klühspieß eilte in ihr Zimmer und kam alsbald mit einer Karte zurück, die sie Lothar Lockner auf den Schreibtisch legte.

    Anton Noppenwallner
    Treibriemen

    Es war eine großformatige Vertreterkarte mit Angabe des Telefons und der Bankverbindungen.
    „Wer ist das und was will der Kerl von mir?“ flüsterte er.
    „Er will Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen“, gab Fräulein Klühspieß ebenso leise zurück, „und das übrige lassen Sie sich besser vom Chef oder von Herrn Kerschbaumer erzählen...“ Es lag etwas in ihrem Ausdruck, was Lothar Lockner veranlaßte, erstaunt die Augenbrauen zu heben.
    „Also schön, lassen Sie ihn herein, aber sagen Sie ihm, daß ich nicht allzuviel Zeit habe.“
    Herr Anton Noppenwallner betrat das Zimmer, er schien mit einem Auto gekommen zu sein, denn sein dunkler Lodenanzug hatte nur an den Schultern ein paar Regenspritzer abbekommen. Das Haar lag ihm schütter auf dem Schädel. Das von roten Äderchen durchzogene Gesicht sah frisch aus, als bewege sich Herr
    Noppenwallner viel in der irischen Luft. Die ins Bläuliche spielende Nase aber strafte diesen

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