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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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murmelte Lothar Lockner.
    „Neunzehn Kinder...“
    „Lieber Gott! Die arme Frau...!“
    „Es sind neunzehn Frauen — respektive Jungfrauen... Herr Noppenwallner ist Junggeselle.“
    Lothar Lockner sah den allzu scherzhaft aufgelegten jungen Mann mit einem langen und ernsten Blick an, der Wastl Kerschbaumer veranlaßte, die Schwurfinger zu heben: „Es ist die reines, lautere Wahrheit, Herr Lockner. Erst gestern hat der alte Amtsgerichtsrat Plinganser den Noppenwallner zum neunzehntenmal in der Alimentationsklage der Pröbstl-Fanny verurteilt...“
    „Woher wissen Sie das, Wastl?“
    Der junge Mann druckste eine Weile herum und wollte nicht so recht mit der Sprache heraus.
    „Los, los, los!“ drängte Lockner ziemlich ungeduldig.
    „Ich war doch selber vorgeladen...“, gestand er schließlich.
    „Da schau her!“ stieß Lockner verblüfft hervor.
    „Stellen Sie sich vor, Herr Lockner, der unverschämte Kerl hat es doch fertiggebracht, die halbe Stadt vor den Kadi zu zitieren!“ sagte der Volontär empört, „lauter angesehene Bürger und Geschäftsleute, den Spediteur Noell, den Schuh-Kaiser, den Radio-Brandl, den Polizeiinspektor Grünwürmer, den Zapf von der Lebensmittelhandlung... ich glaube zwanzig Mann hoch sind wir angetreten, und die meisten davon verheiratete Männer! Das blöde Dirndl hat doch ein Tagebuch geführt...!“
    „Na und?“ fragte Lothar Lockner.
    „Wir konnten alle schwören, und die Fanny hat es auch bestätigt, daß in der fraglichen Zeit nur der Noppenwallner mit ihr gegangen ist. Und was vorher oder nachher geschehen ist, das geht das Gericht nichts an, — das hat der Plinganser selber gesagt. Und deshalb muß der Noppenwallner für den Buben zahlen. Aber er hat Berufung eingelegt...“
    „Wer ist das Mädl?“
    „Der Vater ist tot. Die Mutter hat den Kiosk am Bahnhof.“
    „Und wie alt ist sie?“
    „Siebzehn“, sagte der junge Kerschbaumer, und mit verklärtem Gesicht fügte er hinzu, „aber für das Alter sehr gut beieinander!“
    „Sie scheinen ein Frauenkenner zu sein, Herr Kerschbaumer“, bemerkte Lothar Lockner sarkastisch, „ich fürchte nur, der Chef wird Ihnen ins Kreuz treten, wenn er erfährt, wie Sie ihre Freizeit zu gestalten geruhen...“
    Der junge Mann grinste freundlich: „Er weiß es bereits, — denn er war selber als Zeuge vor Gericht geladen.“
    „Hören Sie, Kerschbaumer!“ rief Lockner ungehalten, „der Chef ist meiner Schätzung nach Sechzig!“
    „Dreiundsechzig, wenn Sie es genau wissen wollen, Herr Lockner, — aber immer noch recht rüstig.“
    „Hauen Sie ab und kümmern Sie sich um die Unterhaltungsseite!“ befahl Lockner mit einem barschen Ton, hinter dem er eine erhebliche Erschütterung verbarg. Der Chef! Ein Mann mit Kneifer, Kropf und Bauch, Herzbeschwerden und Asthma, der seiner verstorbenen Frau das pompöseste Grabmal gesetzt hatte, das auf dem Aldenberger Friedhof zu finden war, und der in den schwarzen Marmor des Monuments seinen Schmerz um die Verblichene mit einem Zweizeiler in Goldbuchstaben gemeißelt hatte;

Nanderl, Nanderl, sei gewiß
bald folgt dir dein Alois!

    Zwar war der Himmel noch immer grau überzogen, aber es regnete nicht mehr; ein frischer Ostwind hatte sich erhoben, der die Wolkendecke sacht nach Westen abschob. Die ganze Stadt war auf den Beinen, und vom ,Lamm’ bis zur Kirche war an ein Durchkommen auf den Bürgersteigen nicht zu denken. Bis an die Hauswände gedrängt standen die Zuschauer in dichten Reihen, um sich nichts entgehen zu lassen. Kurz vor elf marschierten zwölf Metzgergesellen und zwölf Schreinergesellen, die Metzger in blendendem Weiß und die Schreiner in glanzgestärktem Blau vor dem Eingang der Georgikirche auf und bildeten dort Spalier.
    Und dann fuhr endlich, von sechs feurigen Schimmeln gezogen und vom Hause des Bräutigams kommend, die prachtvolle gläserne Hochzeitskutsche vor dem ,Lamm’ auf. Vier Ehrenjungfrauen in duftigem rosa Organdy geleiteten die Braut zum Wagen. Bei ihrem Anblick ging ein Stöhnen durch die Zuschauerreihen. Was für ein süßes G’sichtl über dieser Woge von weißem Schaum! Die Ehrendamen hatten alle Hände voll zu tun, um die sechzig Meter Tüll neben dem jungen Mann im Frack, der seine Braut mit einem etwas verlegenen Grinsen empfing, kunstgerecht zu verstauen. — Lothar Lockners Aufmerksamkeit wurde von der Braut abgelenkt, als er entdeckte, daß eine der Ehrendamen Jo Klapfenberg war; in dem zarten Organdy, der ihre Schultern rosig

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