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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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durchschimmern ließ, ein ganz anderes und völlig neues Wesen, — und bezaubernder als je zuvor.
    Er hatte natürlich eine persönliche Einladung zu der Hochzeitsfeier vom Pflanz bekommen, aber wie sollte er daran teilnehmen, da er ja nur einen einzigen anständigen Anzug besaß, nämlich den pfeffergrauen, den er auf dem Leibe trug.
    „Sagen Sie mal, Wastl“, stieß er den jungen Kerschbaumer an, der ungefähr seine Figur hatte, „besitzen Sie ‘nen dunklen Anzug? Oder vielleicht gar zwei?“
    „Nein, nur ‘nen Smoking — weshalb fragen Sie?“
    „Können Sie ihn mir für heute pumpen?“
    „Tut mir wirklich leid, Herr Lockner, — Sie hätten ihn jederzeit haben können, bloß heute nicht. Die Pflanz-Hochzeit möchte ich mir nicht entgehen lassen.“
    „Schon gut, schon gut...’, aber er war doch ein wenig enttäuscht, und er kannte niemand, an den er sich sonst hätte wenden können.
    „Hören Sie zu“, sagte der junge Mann, dem es leid tat, sich ungefällig zeigen zu müssen, „für eine Stunde oder für anderthalb können Sie das Gewand haben. Wenn Sie sich dranhalten, können Sie in einer Stunde das Büfett ganz schön abräumen.“ — Er schien der Meinung zu sein, daß es Lockner auf den guten Fraß abgesehen habe.
    „Nett von Ihnen, Wastl, aber danke, — es liegt mir wirklich nicht so viel daran.“
    Die Schimmel setzten sich mit der Glaskutsche in Bewegung und entführten das Brautpaar zur Kirche. Der Photograph Volkommer stand hoch über der Menschenmauer, die den Kirchenzugang säumte, auf einer Staffelei und blitzte unentwegt auf Hochzeiter und Gäste herab. Später umkreiste er den Altar und schoß seine Blitze aus allen Richtungen und zu jeder Gelegenheit auf das Brautpaar ab, beim Gebet, bei der Einsegnung, beim geflüsterten Ja der Braut und beim sonoren des Bräutigams, und beim Ringwechsel. Für die kugelige Schwiegermutter der Braut hatte man vor den Kirchenbänken, in die sie nicht hineingepaßt hätte, einen gepolsterten Hocker hingestellt; unter Tränen, die während der heiligen Handlung auf ihren gewaltigen, hochgepreßten Busen tropften, saß sie vor den Frauen, die die rechten Kirchenstühle besetzt hatten. Links standen die Männer, und der alte Salteneder, der den Pflanz schon während der ganzen Herfahrt aufzuheitern versucht hatte, flüsterte während des Gesanges dem Pflanz immer wieder etwas ins Ohr, bis es dem Pflanz zu dumm wurde und er laut genug, daß man es durch die halbe Kirche hören konnte, dem Salteneder ins Ohr zischte, er solle endlich sein Maul halten. Der Salteneder, schon etwas glasig, beteuerte zum zehntenmal, daß es vom Thoma sei, vom Ludwigerl, echt wahr, vom Thoma höchstpersönlich gedichtet und der Kellnerin Rosl vom Spöckmeier in München zu ihrem Hochzeitstag gewidmet...
    Es war wirklich eine Märchenhochzeit, darüber war sich die ganze Stadt einig. Und auch darüber, daß man solch eine hübsche, zarte und kostbar gekleidete Braut seit Menschengedenken nicht mehr vor dem Altar gesehen hatte. Auch der Bräutigam war ein fescher Bursch. In der Figur hielt er gerade die richtige Mitte zwischen der quellenden Fülle der Mutter und der hölzernen Dürre des Vaters. Da hatte mal wieder Geld zu Geld geheiratet. — Zu beiden Seiten des Altars, von Oleanderbäumen halb verdeckt, hatten paarweise die Ehrendamen der Braut Aufstellung genommen, um zur Stelle zu sein, wenn es galt, beim Platzwechsel die Schleppe aufzunehmen. Es wäre ein schlechtes Zeichen für die Ehe gewesen, wenn die Braut sich vor dem Altar in ihrem Gewand verfangen hätte und womöglich gestolpert wäre. Lothar Lockner war, ohne daß er es eigentlich wollte, von den Zaungästen der Trauung in die Kirche gedrängt worden. An eine Säule des linken Seitenschiffes gequetscht mußte er den Hals recken, um das Brautpaar zu erblicken. Dafür sah er Johanna Klapfenberg um so deutlicher, — und sie, die mit ihren Gedanken nicht recht bei der Sache zu sein schien, entdeckte ihn ebenfalls und erwiderte, als er unauffällig hinübernickte, mit einem Senken der Augenlider seinen Gruß.
    „Wo ließe es sich machen?“ flüsterte Lockner dem jungen Kerschbaumer zu, der sich an seiner Seite gehalten hatte.
    „Was?“ fragte der zurück.
    „Daß Sie mir Ihren Smoking für eine kleine Stunde überlassen...
    „Am besten in der Redaktion.“
    „Gut, abgemacht, sagen wir: von zehn bis elf, ja?“
    Die Trauung war vollzogen. Die Orgel verstummte für einen Augenblick. Das junge Paar verließ

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